Alte Stereotypen

FOTOS Die Ausstellung „Stottern ist auffällig“ zeigt selbstbewusste Menschen

■ ist Lehrlogopädin an der Fachschule für Logopädie in Bremen.

taz: Eine Foto-Ausstellung zum Thema „Stottern“ – ist das nicht ein Widerspruch?

Martina Rapp: Nein. Das ist eine Porträt-Ausstellung mit Texten, in denen die Abgebildeten über ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit dem Stottern berichten. Interessant daran sind aber auch die Reaktionen einiger Betrachter, die fragen: „Was, der, die stottert?“ Sie sind befremdet. „Die sehen ja ganz normal aus!“ Daran wird klar, dass immer noch das Stereotyp des unsicheren, gehemmten, zurückgezogen Stotterers vorherrscht. Hier aber sind offene Gesichter zu sehen, die lächeln und ansprechend wirken. Das ist der Kontrast. Diese Menschen haben zum Teil Karriere gemacht, sie sind Architekten, Ingenieure, Lehrer, sogar Sprachtherapeuten.

Die meisten Menschen erwarten also noch immer, dass Stotterer aussehen wie Behinderte?

Zum Beispiel. Oder wie sehr unsichere, kontaktscheue Menschen. Es gibt zwar auch Prominente, die über ihr Stottern sprechen, aber wenige Menschen im öffentlichen Leben, die auch wirklich selbstbewusst stottern. Und in Filmen wird Stottern immer noch benutzt, um Menschen als unsicher und etwas neurotisch zu charakterisieren.

Wer hat die Ausstellung gemacht?

Sie ist entstanden im Auftrag der Bundesvereinigung Stotterer Selbsthilfe e.V. und wurde von drei Studierenden der Fachschule für Logopädie gemacht.

Aber gerade dort sollte doch ein selbstverständlicher Umgang mit dem Thema herrschen?

Ja, aber auch wir leben ja nicht außerhalb der Gesellschaft. Wenn ich den neuen Studierenden ausbilde, werde ich immer auch mit den alten Stereotypen konfrontiert. Vielen erzählen dann, dass sie zu Schulzeiten auch Stotterer in der Klasse hatte. Und wenn ich dann frage: Ist da in der Klasse mal darüber geredet worden – dann war das nie der Fall.

Das ist ja meist ein Ausdruck dessen, das man nicht weiß, wie man ihnen begegnen soll.

Ich würde empfehlen, das Thema anzusprechen, sobald man näheren Kontakt hat. Und auch versuchen, einen normalen Blickkontakt zu halten – es gibt ja immer noch den Mythos, dass man Stotternde nicht anschauen soll. Das aber hat meist genau den gegenteiligen Effekt: Der Stotternde fühlt sich dann abgelehnt. Interview: Jan Zier

Bis 29. Januar in der Wisoak-Fachschule für Logopädie, Dölwesstraße 8, Montag bis Freitags 8 bis 18 Uhr. Montags steht von 16 bis 17 Uhr ein Ansprechpartner zur Verfügung