Kabinett durchkreuzt Bahn-Umzug

Das Bundeskabinett brüskiert Bahn-Chef Mehdorn: Die Bahnzentrale darf nicht nach Hamburg umziehen. Doch ohne grünes Licht vom Bund bleibt der Umzug ein Traum. Hamburgs Bürgermeister gibt sich nicht geschlagen. Möglich: ein Kompromiss

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Die Bundesregierung hielt sich nicht lange mit Diplomatie auf: Die Bahnzentrale bleibt in Berlin, dekretierte SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee gestern. Ein Umzug nach Hamburg sei „nicht akzeptabel“.

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust hatten in der vergangenen Woche überraschend ein Koppelgeschäft angekündigt: Die Bahnzentrale sollte ab 2010 nach Hamburg ziehen, im Gegenzug wollte die Hansestadt einen Teil ihrer Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie der Hamburger Hochbahn (HHA) an die Bahn verkaufen.

Bürgermeister von Beust ließ sich gestern nicht vom Berliner Machtwort schrecken. Er hielt am Umzug der Konzernzentrale fest. „Hamburg und die Bahn werden ihre Pläne weiter mit Nachdruck verfolgen“, konterte der CDU-Politiker. Gleichzeitig drohte von Beust, den ganzen Deal platzen zu lassen. „Die Bahn hat Hamburg ein Paket angeboten, das auch nur als Paket verhandelbar ist.“

Schon vorab hatte der Hamburger CDU-Wirtschaftssenator Wolfgang Peiner gestreut, dass es neben der Bahn „auch andere Interessenten und Investoren“ gebe. „Sie stehen Schlange.“ Denn auf den Bahnstrecken sind längst auch Privatfirmen unterwegs, um Massengüter zu transportieren. Dazu gehören etwa Kühne + Nagel, Connex Cargo, Rail 4 Chem oder TX Logistics.

Sie alle könnten sich für das Kerngeschäft der HHLA interessieren – den Containertransport „von der Kaikante bis zum Endkunden“. Allein im letzten Jahr legte der Umsatz der HHLA um 17,1 Prozent zu.

Für 49 Prozent der HHLA wollen die Hamburger etwa 500 Millionen Euro kassieren. Doch die Bahn hat dieses Geld nicht. Sie müsste weitere Kredite aufnehmen und dafür bräuchte sie die Zustimmung des Eigentümers Bund. Bahnnahe Experten halten es daher für ausgeschlossen, dass der Aufsichtsrat und auch Kanzlerin Merkel nicht längst über den Deal informiert waren, obwohl sie nun Empörung signalisieren. „Zumindest in groben Zügen wussten sie davon.“

2007 soll der Staatsbetrieb Bahn an die Börse gehen. Private Kapitalgeber lassen sich aber nur anlocken, wenn die Gewinnaussichten attraktiv sind. Doch im Fernverkehr macht die Bahn vor allem Verluste, 260 Millionen Euro waren es im letzten Jahr. Beim Nahverkehr sieht es zwar besser aus (424 Millionen Euro Plus), doch ist er stark subventioniert. Wirklich profitabel ist nur die zugekaufte Firma Schenker, die 2004 einen Gewinn von 193 Millionen Euro machte. Diesen profitablen Logistikbereich wollen Bahn und Bund nun durch die HHLA ausbauen.

Bahnnahe Experten gehen davon aus, dass der Deal doch noch zustande kommt. Am Ende dürfte nur die Logistik von Berlin nach Hamburg ziehen – während die politischen Grundsatzabteilungen in Berlin bleiben. Diese Lösung würde auch die Bahngewerkschaft Transnet unterstützen: „Für die Logistiksparte macht Hamburg als Tor zur Welt schon Sinn.“

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