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Spitzenkandidatin der NRW-LinkenEloquent im trostlosen Hinterhof

Ihrer Partei droht das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde. An der Spitzenkandidatin der NRW-Linken, Katharina Schwabedissen, kann das nicht liegen.

Bringt Farbe in die trostlose NRW-Linke: Katharina Schwabedissen. Bild: dapd

DÜSSELDORF taz | In dem schmucklosen Hinterhof stapeln sich Plakate. Katharina Schwabedissen sitzt vor dem Büro des Düsseldorfer Kreisverbands der Linkspartei in der Sonne. Sie schaut bedrückt. Doch es ist nicht der Wahlkampf, der in diesem Moment ihre Sorge gilt. „Es gibt noch Wichtigeres als Politik“, sagt die Linkspartei-Landessprecherin leise. Ihre Gedanken kreisen um den Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Zimmermann.

Als Spitzenduo hatten die beiden für den Wiedereinzug in den nordrhein-westfälischen Landtag kämpfen wollen. Dann kam für den 62-Jährigen die schreckliche Diagnose: Lungenkrebs. „Die Operation hat Wolfgang jetzt erst mal gut überstanden“, berichtet Schwabedissen. „Er wird wiederkommen, das geht gar nicht anders.“

Schwabedissen will sich ihren Optimismus nicht nehmen lassen. Das gilt auch für Wahl am Sonntag. Laut Umfragen fliegt ihre Partei diesmal raus. Aber die Spitzenkandidatin zeigt sich unerschütterlich. An ihr dürfte es am wenigsten liegen, wenn es nicht reichen sollte.

Selbstbewusst und schlagfertig

Die 39-Jährige gibt eine bemerkenswert gute Figur im Wahlkampf ab. Sie wirkt selbstbewusst und schlagfertig. In den Duellen mit der politischen Konkurrenz glänzte sie mit Charme und Witz. Ihre konziliante Art versetzte selbst die Welt am Sonntag in Verzücken. Die Pfarrerstochter besitze eine „persönliche Glaubwürdigkeit“, an ihr pralle „der verbreitete Vorwurf ab, Linkspolitiker predigten Solidarität, praktizierten aber auch nur Allerweltsegoismus und Alphamännchennarzissmus“, schwärmte das konservative Blatt.

Die Mutter zweier Söhne, die erst Krankenschwester lernte und dann Philosophie und Geschichte studierte, ist ein Glücksfall für die Linkspartei. Vielleicht der einzige in diesen Tagen, in denen es um den bunten Haufen so schlecht bestellt scheint, wie seit düsteren PDS-Zeiten nicht mehr. Die kennt Schwabedissen nur aus Erzählungen. Die eloquente Feministin stieß erst über die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) dazu.

In der Berliner Parteizentrale konnte man lange Zeit mit den rebellischeren GenossInnen an Rhein und Ruhr wenig anfangen. Der nordrhein-westfälische Landesverband galt manchen im Karl-Liebknecht-Haus gar als „Hort des Wahnsinns“. Doch statt auf Fundamentalopposition setzte die NRW-Landtagsfraktion darauf, alle Initiativen zu unterstützen, die aus ihrer Sicht die Arbeits- und Lebensbedingungen für abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Schüler, Studierende und Rentner verbessern.

Damit gab sie der rot-grünen Minderheitsregierung den Mut und die Stimmen, sich an ihre Wahlversprechen zu halten: von der Abschaffung der Studiengebühren, der Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr bis zur Einführung der direkten Abwahl von Bürgermeistern, die letztlich Duisburgs starrköpfigen CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland das Amt kostete.

„Schulkonsens“ mit der CDU

In der Bildungspolitik bot die Linkspartei ebenfalls ihre Unterstützung an, doch SPD und Grüne entschieden sich lieber für den „Schulkonsens“ mit der CDU. „Wie wir haben SPD und Grüne 2010 in ihren Wahlprogrammen eine Schule für alle gefordert“, ärgert sich Schwabedissen. „Doch dann haben sie sich nicht ans Gymnasium rangetraut.“

Auch beim Landeshaushalt, dessen Scheitern zur Blitzauflösung des Parlaments führte, hatte sich die Linkspartei gesprächsbereit gezeigt. Aber SPD und Grünen blockten ab. Als unbezahlbar bezeichneten sie die von der Linkspartei geforderte Einführung eines landesweiten Sozialtickets für 15 Euro pro Person und Monat. „Das hätte im zweiten Halbjahr 35 Millionen Euro gekostet“, rechnet Schwabedissen vor, „die Neuwahlen kosten das Land 45 Millionen.“

Trotz des abrupten Endes hofft Schwabedissen auf eine Neuauflage des Projekts Minderheitsregierung. Das habe das Parlament und damit die Demokratie gestärkt, ist sie überzeugt. Es hängt vom Einzug der Linkspartei ab, ob sich diese Chance noch einmal bieten wird. „Das wird total eng“, weiß Schwabedissen.

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14 Kommentare

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  • H
    Hollunder

    Selten einen so an der Realität vorbeilügenden Artikel gelesen. Die Linkspartei in NRW mag jämmerlich sein, im Vergleich zur FDP befindet sie sich aber in einem sehr guten Zustand - trotzdem munkelt man bei der FDP schon von zweistelligen Ergebnissen, wohingegen die Linkspartei schon mit 2 % gut bedient ist. Und woran liegt es? Nun ist der Vergleich mit Christian Lindner, der, wäre er bei der CDU, in 2017 Kanzler wäre, vielleicht etwas unfair, da Frau Schwabedissen ja nun unbetsritten nicht in dessen Liga spielt, aber dennoch - eine Spitzenkandidatin, die es nicht schafft, aus einem lahmen Verein zumindest einen wählbaren Verein zu machen, hat ihren Job verfehlt. Und mal ehrlich: Haben Sie Frau Schwabedissen schon mal reden gehört? Das soll eloquent sein? Rhetorik geht ehrlich gesagt anders - ich empfehle, auch hier mal einen Blick auf Christian Lindner zu werfen, so geht Rhetorik.

  • H
    Hasso

    Den Nagel auf den Kopf getroffen! Das ist wirklich eine glaubwürdige und sympathische Persönlichkeit,diese Frau. Nicht so wie bei den politischen Klone, wo jeder nur das sagt, was seinem eigenen Vorteil dient und dazu noch den "richtigen" Versprechungen macht, da man insgeheim erwartet irgendwann eine Nebenbeschäftigung zu bekommen.

  • W
    Wähler

    Super Artikel. Danke. Ich werde diesmal wohl die Linke wählen, bin entäuscht davon, dass die Grünen in der Landesregierung so wenig Profil gezeigt haben. Ich hoffe sie schaffen es.

  • H
    Helga

    „Das hätte im zweiten Halbjahr 35 Millionen Euro gekostet“, rechnet Schwabedissen vor, „die Neuwahlen kosten das Land 45 Millionen.“ - allein an dieser peinlichen Aussage kann man erkennen, dass es eindeutig an der Kandidatin liegt, selten einen so traurigen und dümmlichen Vergleich von Äpfeln und Atomkraftwerken gehört. Die Linkspartei in NRW ist de facto nicht wahrnehmbar, wenn diese Schlappis auf mehr als 2 % kommen, wäre das schon ein kleines und völlig ungerechtfertigtes Wunder. Die Linke in NRW reagiert echt unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle, und das liegt zum großen Teil an der trantütigen Kandidatin. Die ist echt das genau Gegengeil von Lindner - hätte die Linke in NRW ein linkes Gegenstük zu Lindner, wären die auch bei 8 %. Haben sie aber nun mal nicht - ich könnte mir sogar gut vorstellen, dass viele vormals linke Wähler nun die FDP wählen.

  • U
    Udo

    Eine beeindruckende Frau. Wenn sie sich angewöhnen könnte, langsamer zu sprechen, könnte sie sich auch besser vermitteln.

  • U
    Udo

    Eine beeindruckende Frau. Wenn sie sich angewöhnen könnte, langsamer zu sprechen, könnte sie sich auch besser vermitteln.

  • JO
    James Overstolz

    Politiker, die pragmatisch etwas herausgeholt haben, gehören wiedergewählt. Das sind in NRW unter anderem die Linken (eine Partei, die mir im Bund von zu vielen ergrauten Herren regiert wird).

    Die Piraten haben auch ihre Stärken, aber werden sie nicht gerade von denen gewählt, denen jegliche differenzierte politische oder taktische Überlegung fremd ist? Spaßgesellschaft auf links eben.

  • UM
    Ulli Müller

    Sicherlich trägt die Linke (in NRW auch) ihren Anteil am Scheitern an der 5% Hürde.

    Aber seien wir doch mal ehrlich, hätte die Linke nur halb so viel Rummel wie die FDP in den Medien bekommen,

    wären ihre Inhalte ohne den regelmäßigen Hinweis, dass die "Großeltern der Linken" in der DDR unseren Bundespräsidenten und andere "gefoltert und getötet" haben, verbreitet worden, die Partei lege locker bei 20%.

    Wie oft hört man, "klar was die Linke sagt stimmt, aber ..."

    "klar will ich auch eine soziale Republik, klar will ich Demokratie und keine Parteien oder Mandatsträger die sich kaufen lassen, aber ..."

    "ich will auch nicht, dass die Bundeswehr für Ackermann und Co in den Krieg zieht, aber ..."

    usw-usf

    Also ich wähle die, die genau sagen wo's wirklich hakt,

    die sagen, wo die Verfassungsfeinde sitzen, die als einzige noch für die Ideen der Gründungsmütter und -Väter und für christliche Werte, wie Solidarität und Gemeinschaft, einstehen.

    Auch wenn die Partei scheitern sollte.

  • F
    Fred

    Und woran liegt's nun? Am Parteiprogramm?

  • M
    Mordent

    „Das hätte im zweiten Halbjahr 35 Millionen Euro gekostet“, rechnet Schwabedissen vor, „die Neuwahlen kosten das Land 45 Millionen.“

     

    Oh, Madame rechnet vor. Klar, und Neuwahlen finden ja auch jedes halbe Jahr statt. Die muss die Wähler doch für völlig stulle halten.

  • R
    Richard

    Endlich ein Artikel, der objektiv ist. Herzlichen Glückwunsch.

  • BL
    Belinda Leidel

    Guter Artikel. Es ist zwar falsch, wie die WELT die Linkspartei beschreibt, aber wen wundert das. Katharina Schwabedissen und vielen mehr wär zu wünschen, daß die Linke es doch auf 5% schafft, gegen alle Medienkampagnen und trotz der sinnlosen Streits in der Parteispitze. Es gäbe sonst keine soziale, linke Partei in NRW im Parlament. Das hätte man vor ein paar Jahren mal eingefleischten NRW-SPDlern sagen sollen! (Clements Welt+Rechtsrutsch ist ja kein Einzelfall der NRW-SPD.)

    Wissen Sie, daß Schwabedissen nach der "Elefantenrunde" im TV von vielen westdeutschen Zeitungen einfach aus dem Bild geschnitten wurde?

  • S
    selger

    Ach ja,

    liebe TAZ. Noch billigere Wahlwerbung geht ja nicht. Die LINKE droht, unter die 5%-Hürde zu fallen? Da muss man doch was machen!

     

    So viel zum Thema "unabhängige Berichterstattung". Ich lach mich tot.

  • S
    Schläfer

    "An der Spitzenkandidatin der NRW-Linken, Katharina Schwabedissen, kann das nicht liegen"

     

    An mangelnder Unterstützung durch die taz auch nicht ;-)