piwik no script img

ZDF-Doku über 1899 HoffenheimAuch Schalke fing mal als Stadtteil an

Vom Dorfverein zur Fußballmarke: Das ZDF zeigt mit „Hoffenheim - Das Leben ist kein Heimspiel“ einen sehenswerten Film über einen Einbruch der Fußballkommerzmoderne.

Torro (Mitte), ein Fan der ersten Stunde, feiert einen weiteren Hoffenheimer Sieg. Bild: ZDF/ Frank Pfeiffer

Es ist neblig. Zwei Männer rumpeln im Auto über einen Feldweg. Kuhwiesen, Pferdekoppeln. Der Beifahrer spricht: „Also hier sind wir schon, würde ich sagen, bei Spielfeld drei und vier. Das heißt, die erste Mannschaft findet hier Platz, Finanzabteilung, Marketingabteilung, Pressesprecher, Manager, Nachwuchsmanager.“

Katrin Müller-Hohenstein deutet auf eine Landkarte: „Hier liegt Hoffenheim. Und wenn Sie mal auf die Homepage von Hoffenheim klicken, unter ’Sehenswertes‘, dann finden Sie das Heimatmuseum – und sonst nix. Aber das soll sich ändern!“

Schon wieder steht ein Sommermärchen-Fußballsommer an, das muss ausgiebig zelebriert werden, selbst in den Kulturnischen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. „Das kleine Fernsehspiel“ des ZDF sendet also die Reihe „Das Runde ins Eckige“, mit, zum Auftakt, einem extrem sehenswerten Film über einen Einbruch der Fußballkommerzmoderne: „Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel“ von Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech. Der zweite Teil des Titels ist das Motto von Jochen A. Rotthaus, dem Sprecher aus dem Auto, dem Geschäftsführer des Fußballvereins, dem Hoffenheim es verdankt, nun der berühmteste Stadtteil von Sinsheim zu sein.

Schalke is auch nur ’n Stadtteil von Gelsenkirchen, so wie Hoffenheim ’n Stadtteil von Sinsheim is“, sagt Torro. Es kommen auch noch andere Personen vor – das Pächterpärchen von der Tankstelle, Software-Tycoon Dietmar Hopp –, aber Torro ist neben Rottmann der zweite Hauptdarsteller des über einen Zeitraum von drei Jahren entstandenen Films.

Beim Füllen des Kühlschranks

Ganz zu Anfang wird Torro in der Bauchbinde als „Chef des einzigen Fanclubs“ vorgestellt. Das gewinnt im Nachhinein an Komik, wenn man Torro später zur „Gründung eines Fanverbandes der 7 Hoffenheim Fanclubs“ begleitet, dann zum „Verbandstreffen der 11 Hoffenheim Fanclubs“. Da sieht er sich plötzlich in der Situation, das bei Heimspielen intonierte „Badnerlied“ gegen Neu-Fans aus dem württembergischen Landesteil verteidigen zu müssen.

Und noch dicker kommt es schließlich auf dem „Verbandstreffen der 100 Hoffenheim Fanclubs“. Da muss sich Torro vom neuen Vorstand vorhalten lassen, „was der Fan-Verband in sieben Monaten vor meiner Amtszeit gemacht hat: Er hat sich im Container getroffen und hat Bier getrunken.“

Viele Filmminuten vorher war Torro tatsächlich einmal dabei zu beobachten, wie er den großen Kühlschrank seines kleinen Fan-Containers mit Bierflaschen befüllt. Da konnte er noch nicht ahnen, dass man ihm das später vorwerfen würde. Aber da spielte die TSG 1899 auch noch in der Regionalliga Süd, der bis dahin höchsten Platzierung in der Geschichte des 3.000-Seelen-Dorfvereins.

Dann kam der im benachbarten Heidelberg geborene ehemalige Stürmer und heutige Milliardär Hopp und half, den Dorfverein im Zeitraffer in die 1. Liga zu katapultieren. Was man ihm später auch vorwerfen würde, etwa FCK-Fans in einem offenen Brief: „Ihr Verein, Herr Hopp, hat alle Evolutionsstufen eines Traditionsvereins ausgelassen (…) Nicht harte Arbeit hat Ihren Verein nach oben gebracht. Nein, einzig und allein das Geld.“

Torro und Rottmann sind charakterlich sehr verschieden, phlegmatisch und eher maulfaul der eine, immer unter Strom der andere. Und immer mit einem kessen Spruch auf der Lippe: „Man muss viele Frösche küssen, um den Prinzen zu finden.“

Der Hoffenheimer Prinz heißt Hopp.

Oder, wie Torro es formuliert, in seinem breiten Kurpfälzisch: „Früher, da ware es die Fans und die Spieler – und heute sind’s die Kunde und Produkte.“

„Hoffenheim - Das Leben ist kein Heimspiel“: ZDF, 23.55 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!