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Retrospektive: Hamburger Filmmacher-Cooperative

Die Antwort auf den brüllenden Löwe von Metro-Goldwyn-Mayer kam 1967 aus Hamburg: Ein grüner Hase schnupperte durchs Bild – es war diese Selbstironie, der Spaß am Filmen jenseits von Opas Kino, jenseits von postnationalsozialistischen Heimatschinken und konventioneller Erzählweise und ebensolcher Bildersprache, der zur Gründung der Hamburger Filmmacher-Cooperative führte. Der grüne Hase präsentiert in Farbe, so hatte es sich Hellmuth Costard als Opener für „Warum hast Du mich wachgeküsst?“ erdacht. Im Trickfilmstudio Cinegrafik erstellte mein Vater Helmut Herbst den Vorspann an der optischen Bank, er wurde auch vor weitere 35-mm-Filme der lokalen Filmmacherszene geschnitten.

In der Brüderstraße 17 in Werner Graßmanns erstem kleinen Kino „studio-galerie“ trafen sich FilmmacherInnen mit interessiertem Publikum zum Film-In. Hier entstanden die berühmten Gruppenfotos der „Coop“, wie die Beteiligten selbst ihren Zusammenschluss nannten. Jetzt zeigt das B-Movie eine Retrospektive ausgewählter Coop-Filme, und auf den Fotos sind alle drauf, von denen jetzt ausgewählte Kurz- bis Langfilme zu sehen sind, darunter solche mit erkennbarer Handlung und solche, die assoziativ, avantgardistisch, am Arsch der Sehgewohnheiten vorbei entstanden sind: Dore O., Werner Nekes, Klaus Wyborny – die drei sind auf dem Foto hintereinander zu sehen, der am 12. Juni 2000 verstorbene Hellmuth Costard, Franz Winzentsen, Bernd Upnmmor und mein Vater Helmut Herbst. Dore O., von der eine Filmauswahl heute die Retrospektive eröffnet, wird als Gast anwesend sein, auch Upnmoor und Wintzentsen werden kommen.

Gerne erinnere ich mich an einen Sommerurlaub in Schweden, wo wir zu Gast waren bei Werner Nekes und Dore O. Die waren selber gerade Eltern geworden, und Werner Nekes hatte sofort begonnen, Kinderbücher zu lesen. Um selbst auszuwählen, was er gut fand. Es gab aus der großen Küche des Holzhauses einen sehr schönen Blick über Wiesen und einen See. Ein Stativ stand dort, und mit Einzelbildaufnahmen wurde gedreht. Es gab keine Trennung zwischen kreativer Filmarbeit und Freizeit. War etwas nicht stimmig, wurde es nicht gemacht. Unkonventionell, aber behutsam, wohlüberlegt. Eine ganz eigene Bildersprache entstand. Klar mit Mehrfachbelichtungen, Achssprüngen, einem experimentieren mit Kamera, Licht, Motiv und Tönen.

Einen Meister des Chaos wurde Helmuth Costard in einem Nachruf von meinem Vater genannt (nachzulesen in seinem Filmbuch über die Jahre 62–70: „Früher, als wir noch nicht postmodern waren“). Legendär sein Film „Besonders Wertvoll“: die Eichel eines Penis ist in Großaufnahme zu sehen, die sich in Sprechbewegungen synchron zum Vortrag eines reaktionären Bundestagsabgeordneten über die „Sittenklausel“ auslässt. Selbstredend wurde die Staatsanwaltschaft gegen diesen Film aktiv.  MORITZ HERBST

Do, 7.–31. 3., B-Movie, Brigittenstraße 5, Hamburg. Programm: http://www.b-movie.de