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Einigung beim FiskalpaktSchuldenbremse mit Bonus

Die Einigung beim Fiskalpakt sieht strenge Schuldenbremsen vor. Im Gegenzug sollen Kitas und gefördert werden. Die Linksfraktion will dagegen in Karlsruhe klagen.

Da würde die Linksfraktion die Fiskalpaktierer gern sehen: Kurt Beck hinter Gittern – denen des Kanzleramts jedoch. Bild: dpa

BERLIN/PASSAU dpa | Mit Milliardenhilfen für die Kommunen hatte die schwarz-gelbe Regierung den Ländern am Sonntag ihr Ja zum europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin abgerungen.

Mit den Fraktionen von SPD und Grünen war sich die Koalition bereits am Donnerstag einig geworden. Damit ist die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat am kommenden Freitag sicher – das Bundesverfassungsgericht kann aber noch sein Veto einlegen. Unter anderen will die Linksfraktion in Karlsruhe gegen den Fiskalpakt klagen.

„Ich halte eine Volksabstimmung für zwingend. Alles andere wäre ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz“, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht der Passauer Neuen Presse. „Wenn der Bundestag nicht mehr umfassend über den Haushalt entscheiden kann, dann steht die parlamentarische Demokratie als Ganzes zur Disposition.“

Kitas und Eingliederungshilfe

In zweieinhalbstündigen Verhandlungen im Kanzleramt sicherte die Bundesregierung den Ministerpräsidenten zu, vorerst alle Strafzahlungen bei zu hoher Verschuldung von Länder und Kommunen zu übernehmen. Für 30 000 zusätzliche Kita-Plätze sollen einmalig mehr als 500 Millionen Euro fließen. Bei den laufenden Kita-Betriebskosten will der Bund künftig jährlich mit 75 Millionen Euro dabei sein.

Der größte Brocken des Hilfspakets ist erst für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 geplant. Dann soll der Bund unter anderem in die Eingliederungshilfe für Behinderte einsteigen – eine Größenordnung von vier Milliarden Euro jährlich vom Bund, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Strenge Schuldenbremsen

SPD und Grüne hatten der Regierung am Donnerstag die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer und ein milliardenschweres Wachstumspaket als Gegenleistung für ihre Zustimmung im Bundestag abgetrotzt. Der Fiskalpakt sieht vor, dass ausgeglichene Haushalte angestrebt und strenge Schuldenbremsen eingeführt werden sollen. Bei Verstößen könnte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden.

Die SPD strebt ein europäisches Bündnis für Arbeit an, um die hohe Erwerbslosigkeit in vielen Euro-Staaten wirkungsvoller zu bekämpfen. „Ein mit den Partnern in Europa abgestimmtes Bündnis für Arbeit, unterlegt mit dem Wachstumsprogramm und ausgerichtet vor allem auf junge Menschen, wäre jetzt in der Tat notwendig“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Rheinischen Post. „Ich hoffe, dass der Wachstumspakt, den der EU-Gipfel am 29. Juni beschließen wird, die Grundlage dafür ist.“

Der SPD-Politiker geht davon aus, dass der Euro ohne die rasche weitere Integration der EU-Staaten scheitert. „Wir werden den Euro am Ende nicht rein fiskalisch, mit Rettungsprogrammen oder einer Vergemeinschaftung von Schulden retten, sondern nur politisch: Wir brauchen eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzregierung in Europa. Das setzt voraus, dass wir einige Souveränitäts- und Entscheidungsrechte der Mitgliedsstaaten auf die EU übertragen.“

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3 Kommentare

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  • S
    strooker

    Selbstverständlich zementiert die Schuldenbremse Austeritätspolitik als Dauerzustand. Das ist tatsächlich neu und bisher hat niemand diese Politik dauerhaft durchgehalten.

     

    Was die Austeritätspolitik von Brüning angeht, so hat Deutschland vor allem den ersten Weltkrieg verloren und befand sich in einer miserablen finanziellen (Kriegsschulden und Reparationen) und wirtschaftlichen Situation (Besetzung des Rheinlands und Weltwirtschaftskrise). In dieser Situation hat die Austerität die Situation verschlimmert. Das sehen wir heute in Griechenland - und hätten es vorher wissen können.

     

    Dagegen ist die Austeritätspolitik von Cripps anders zu bewerten. Großbritannien hatte den zweiten Weltkrieg gewonnen und musste keine Reparationen zahlen (sehr wohl aber seine Kriegsschulden). Die Austerität dort war schlußendlich erfolgreich - auch und gerade weil die Sozialetats zu jedem Zeitpunkt hoch blieben. Und am Ende hat Cripps tatsächlich mit dieser Politik aufgehört. Er wollte nur die kriegsbedingte Wirtschaftskrise überwinden. Das sehen wir heute (noch) nirgends.

     

    Was Deutschland angeht, kann man, wenn überhaupt, nur sehr verhaltene Prognosen abgeben. Ohne starke soziale Komponente scheint Austeritätspolitik nicht zu funktionieren. Die Zustimmung der Bevölkerung zu dieser Politik ist wichtig. Bisher ist fast die gesamte Politik in Deutschland der Meinung, dass es reicht diese Politik aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus zu versuchen. Möglicherweise wird hier nachgesteuert (Mindestlohn, höhere Sozialleistungen - nein, höhere Abgaben für Reiche gehören da nicht explizit dazu). Aber trotzdem ist es sehr zweifelhaft, dass man dauerhaft "tugendhaft" sein kann und gar keine Schulden macht. Außerdem müssen die finanziell schwächsten Teile des Staates - die Kommunen - dann dauerhaft vom Bund gestützt werden. Dazu bräuchte es wohl einen kommunalen Finanzausgleich mit Bezuschussung des Bundes.

  • D
    Detlev

    Ob nun das Gericht am Ende spricht- oder ? ...

     

    Tatsache ist doch, dass die Schuldenbremse ohne umfassende Steueranhebungen bei Vermögenden und Gut-Verdienern einen massiven Wachstumsschock auslösen könnte. Und dieser könnte negatives und stagnatives Wachstum auslösen, was wiederum zur paradoxen Situation führen könnte, dass Deutschland sich stärker verschuldet durch die Schuldenbremse als vorher.

     

    Das Problem unserer Politiker ist sehr einfach: Es geht ihnen nicht um Wachstum, Wirtschaftsimpulse oder neue Ansätze, sondern um ein Klein-Klein mit Schulden, Verschuldung und Staatshaushalten. Dies ist genau die ignorante Mischung, die schon in Weimar zum Kollaps führte, weil die Verschuldung per se nicht schlecht, sondern ein Ergebnis einer gesellschaftlichen Situation ist. Wenn der Staat Schulden macht, dann hat er seine Steuerpolitik wohl nicht im Griff.

     

    Momentan subventioniert der Staat aber Arbeitnehmer, die unter ihrem Kostenniveau arbeiten gehen. Einen ganzen Katalog sinnloser Regelungen bietet der Staat an und der wird begierig von allen möglichen Akteuren genutzt, zumal die Sachverhalte eher in den Bereich Wirtschaftskriminalität, denn Arbeitsförderungspolitik gehören. Dazu kommt noch die 400-EURO-Regelung - auch hier subventioniert der Staat zig Unternehmen, die ihr gesamtes Geschäftsmodell in (Sozial-)Abgabenfreiheit suchen.

     

    Alleine diese Schieflagen produzieren Milliarden-Verluste. Ganz abgesehen, davon, dass der Staat untere Durchschnittsverdiener praktisch melkt bis aufs Blut, aber Gut-Verdiener schnell von der Stange lässt und einige Milliardäre sogar gänzlich davon kommen. Dennoch wird die Schuldenbremse möglicherweise eine schwere Wirtschaftskrise auslösen, weil die Interdependenz zum Wachstum und Wachstumseffekten von den Politikern nur ignoriert wird. Dabei gibt es ausreichend Beispiele in der Geschichte, die zeigen, wie schnell solche Politikmuster in die Hose gehen.

  • L
    lichtderaufrechten

    Fiskalpakt ein schlechter Witz

     

    Hier treffen Methoden der schwäbischen Hausfrau

    auf die härtesten Betrüger der Allzeit .

    Auf der einen Seite allein in den USA

    Großbanken die für mehr als 220

    Billionen US$ faule Papiere halten.

    Auf der anderen Seite naive Laienspieler

    (Politiker) . Wenn hier weiter in einem

    Sandkasten gespielt wird , werden unsere

    Renten,Pansionen , Gesundheitssystem,

    soziale Brandmauern wie H4 von den

    Großbanken verfrühstückt.

     

    Das Einzige was hilft ist eine Verstaatlichung

    der Großbanken und ein neuer Glas -Steagel

    Act. Das Verbot von Boni und Obergrenzen

    für Einkommen! Alle Banken wie Sparkassen

    regulieren und mindestenz 7% Eigenkapital!

    Zuletzt nach einer Übergangszeit Abschaffung

    der Zinsen oberhalb der Inflation!

     

    Ich sehe hier in der Politik ausserhalb der

    Linken nur Träumer und Spinner , die den

    Karren mutwillig (oder korrupt) an die

    Wand fahren!

    Was passiert wohl in einem Wirtschaftsraum

    wenn die einen sparen und die anderen Geld

    drucken. Europa verarmt bis auf die Knochen!