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Feminismus in den USAAlles auf Anfang

Anne-Marie Slaughter gab die Karriere in Washington zugunsten ihrer Familie auf und provozierte einen Aufschrei und die Frage, was Frauen tun sollten und was nicht.

Entmutigt sie junge Mädchen? Anne-Marie Slaughter. Bild: dapd

Anne-Marie Slaughter hatte alles richtig gemacht. Sie war Professorin an einer der renommiertesten Universitäten der USA – in Princeton. Sie war die Chefin des Planungsstabs von Außenministerin Hillary Clinton. Und dann beendete sie nach zwei Jahren ihre Karriere in Washington. Um sich ihren zwei pubertierenden Söhnen intensiver widmen zu können.

In der US-Zeitschrift the Atlantic rechtfertigte sie nun diese Entscheidung vom Januar 2011 in einem Artikel mit dem Titel „Why women still can’t have it all“ und entfachte damit eine landesweite Debatte über das, was Frauen tun sollten und was nicht.

Dass sich Anne-Marie Slaughter getraut hat, ihren privaten Konflikt in der Öffentlichkeit auszutragen, zeugt von Mut, denn in den USA werden stay-at-home mothers eher belächelt. Der Verzicht auf Freizeit und Familie gilt vielen als notwendiges Übel im Kampf um Individualität und Freiheit. Wer damit nicht klarkommt, stört die allgemeine Wahrnehmung. Genau das hat Slaughter getan. Der Aufschrei ist entsprechend groß.

Die Antwort bleibt individuell

Die Diskutierenden und das von ihnen Gesagte erscheinen dabei seltsam bekannt: Die FeministInnen wüten, die PolitikerInnen hüten sich, Aussagen zu treffen, und die BiologistInnen brüten über Studien, die be- oder widerlegen sollen, dass die Frau von Natur aus so oder eben so sei. Eine Antwort auf die alte feministische Frage nach einer Work-Life-Balance kennen alle nicht, auch wenn sie das nicht zugeben. Solche Antworten muss sich jede Frau dann doch immer noch individuell selbst geben.

Schließlich wird auch die Karriere-versus-Familie-Debatte zumeist als weibliche Diskussionsrunde verstanden. Dabei hatte auch – um auf Slaughters Ebene zu bleiben – William Daley, Barack Obamas Stabschef, in diesem Jahr ebenfalls sein Amt gekündigt, um mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. Nur glaubte ihm das fast niemand, es musste für einen Mann dieses Formats doch noch andere Gründe geben als bloß die Familie. Und hätte ihm die Nation abgenommen, dass er seine Karriere tatsächlich zugunsten seiner Kinder zurückstellte, es hätte wohl Tränen der Rührung gegeben.

In Slaughters Fall klagen nun die FeministInnen. Slaughter habe die Errungenschaften des Feminismus verraten und jungen Karrierefrauen den Mut genommen. Hat sie das denn?

Quell quälender Vorwürfe

Betrachtet man die dramatische Darstellung ihrer Entscheidung für die Familie während eines Sektempfangs im diplomatischen Treiben, lässt sich diese Frage nur mit „Ja“ beantworten. Slaughter begründet ihre Entscheidung mit dem schlechten Gewissen einer guten Mutter. Ein Gefühl, dass viele Karrierefrauen belastet, Quell quälender Vorwürfe von innen wie von außen. Sie schlägt damit in die Kerbe jener Frauen, die hinter dem Begriff „Mutterliebe“ nicht die soziale Konstruktion sehen und denen Frauen mit Ambitionen als „Rabenmütter“ gelten.

Und, ebenfalls bekannt: Slaughter schreibt, jemand müsse endlich mit den feministischen Idealen aufräumen, an denen sich Frauen permanent abarbeiten müssten. Sie fordert: „Hört mit dem Lügen auf!“ Wobei hinter dieser Haltung selten der Wille steckt, die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf neue Weise anzugehen. Slaughter will einfach nur ihre Ruhe.

Und nun? Werden wir dieses Mal den Punkt in der Debatte überwinden, an dem sich Frauen zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen? Wie es scheint, wohl nicht. Es ist ermüdend.

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10 Kommentare

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  • AP
    Anne Peters

    Lieber Autor des Artikels,

     

    Sie haben möglicherweise überlesen, dass Frau Slaughter keineswegs Hausfrau geworden ist, sondern nach der Stelle in Washington eine als Professorin in der Nähe ihrer Familie angenommen hat. Meines Wissens hat sie die Stelle als Professorin nicht angnommen, weil sie eine stay-at-home-mum sein wollte, sondern weil sie nicht 16 Stunden am Tag, weit weg von der Familie arbeiten wollte.

     

    Es wäre schön gewese, wenn sie den Artiekl, auf den Sie Bezug nehmen, gründlich gerelsen und recherchiert hätten.

  • MB
    Michael Baleanu

    Frau Slaughter soll gesagt haben, Zitat: „Das Ideal des amerikanischen Arbeitnehmers ist noch immer der Mann, der rund um die Uhr einsatzbereit ist, weil seine Frau ihm zu Hause den Rücken freihält.“

     

    Was ich nicht verstehe: Ist es nicht die Haltung der amerikanischen, deutschen bzw. aller Justizsysteme die für den Vater die "erhöhte Erwerbsobliegenheit" und für die Mutter die "erhöhte Betreuungspflicht" kennen?

     

    So lange mann ohne Erfolg versucht, den Juristen zu erklären, dass die Lösung des Problems das Wechselmodell ist, wird aus einer echten Gleichberechtigung nichts: Die Juristen wollen einfach nicht, dass der Vater seine Kinder genau so intensiv betreut, wie die Mutter. Spricht mann sie darauf an, so kommen sie einem mit dem Verbot des "Zwang-Wechselmodells" was niemals zur Debatte stand (http://blog.beck.de/2012/04/18/35-stunden-arbeit-reichen-nicht#comment-39222).

     

    Ich schätze aber, dass eher die Klagemauer in Jerusalem einem ein Antwortecho geben kann, ehe die Juristen und die Feminist.I.nnen hierzulande begreifen, was unter Gleichberechtigung zu verstehen ist!

     

    Beweis: Seit 1998 haben diese Bevölkerungsgruppen §1626 a BGB nicht als DISKRIMINIERUNG des Vaters anerkennen wollen. Nun haben sie es schwarz auf weiss aus Strassburg. Es werden aber vermutlich weitere zig Jahre vergehen, bis der Vater eine echte Gleichberechtigung mit der Mutter erleben darf.

     

    Bis dann, darf er nur zahlen und sich den Vorwurf anhören, er würde Frau diskriminieren!

     

    Wie wäre es also mit dem Wechselmodell? Null EUronen Unterhalt, dafür Pflege und Erziehung satt für beide Eltern gleichermaßen.

     

    Wetten, dass die Feminist.I.nnen die ersten sind, die dagegen Zeter und Mordio schreien werden? Beweis: Minute 04:00 ff http://www.frauenstudien-muenchen.de/Vortrag/Vinken_Schrupp_Audio_Publikum.mp3

     

    Ich weiss nicht, ob den Apologeten der Karriereleiter stürmenden Frauen, Folgendes klar ist: Für die Karriere braucht die Frau ZEIT !!!

     

    Hallo!!! Diese Zeit geht ihr von ihrer Zeit mit der Familie ab!!!

     

    Wenn ihr aber dem Vater nicht erlaubt, eben diese Zeit mit den Kindern zu verbringen, dann werden wir uns auch noch in 1000 Jahren die Jammerei anhören müssen.

     

    Wer ein Problem lösen möchte, sollte sich vielleicht die Mühe machen, es zunächst in voller Schönheit zu erkennen, oder?

  • S
    Susanna

    Ideologie ist das Problem.

    Wenn sich jemand vorübergehend entscheidet, seinen Job aufzugeben, um sich zu Hause mehr kümmern zu können, ist das eine menschliche Entscheidung.

    Nur Wörter wie 'gute Mutter', 'schlechtes Gewissen', 'feministische Lügen' heizen die ideologische Debatte an.

    So eine Entscheidung kann gut sein, wenn sie aus einer persönlichen Freiheit heraus getroffen wird. Wenn jemand das Gefühl hat, etwas aufzugeben, was ihm am Herzen liegt, und das zu müssen, weil sie eben eine Frau ist, dann ist das sehr traurig.

    Niemand kann alles haben. Aber Feministinnen und berufstätige Mütter haben meistens mehr vom Leben. Wenn sie es für sich tun und nicht für die Ideologie.

  • A
    anton

    Es ist unglaublich was sich Familien anhören müssen, die sich bewusst entscheiden, dass ein Elternteil sich um den eigenen Nachwuchs kümmert. Das hat nichts mit Feminismus zu tun, sondern ist eine einzige Beleidigung.

    Nach der diskriminierenden Diskussion ums Betreungsgeld in Deutschland ist keine Partei mehr wählbar.

  • MW
    Mal was Neues

    Jede Frau soll individuell entscheiden dürfen wie sie leben will. Manches ist auch eine Frage der Zeit in der bestimmte Dinge wichtig sind. Man kann sie oft genug gut verbinden, manchmal auch nicht. Ärgerlich sind nicht nur die altbekannten "Ab an den Herd"-Schreier, ärgerlich sind auch ihre Abziehbilder auf der anderen Seite. In Deutschland ging eine Welle von Hass durch als Eva Herman ihre Ideen vorbrachte. Ihr fehler war nach meiner Ansicht das typisch deutsche Rechthaben, welches die eigene Situation als das einzig Wahre darstellt. Am Ende wurde sie gezielt als Nazibraut diffamiert, beruflich wie gesellschaftlich vernichtet und glitt dann völlig ab. Dieser Vernichtungswillen allem anderen Lebensentwürfen abseits der Ideen der 70er gegenüber mag als Ursache die Erfahrungen in den 60/70er jahren haben, ist aber falsch. Mir fällt auf wie oft kinderlose Frauen um die 50 geradezu in Hysterie verfallen wenn junge Mütter einfach ein paar Jahre Auszeit nehmen oder den Beruf zurückstellen um die Freude an ihren Kindern besser erleben zu können. Da bekommt man unweigerlich den Eindruck, daß es mehr um die Kritikerin und ihre Unzufriedenheit oder gar Unglücklichkeit geht als um die Kritisierten. Statt die Arbeistwelt der Tasache anzupassen, daß Frauen Kinder bekommen und Mütter sind, versucht man sie zu Männern zu machen. Das Dogma des Gender-Mainstreaming ist heute eine Religion, denn es ist wissenschaftlich nicht haltbar. Junge Frauen gehen damit meist entsannter um. Gerade ihnen sollten flexible und der Realitä angepasste neue Möglichkeiten offen stehen. Stattdessen gibt es Quoten und die alten Zöpfe der 70er. Wer widerspricht, dem schlägt oft blanker Hass entgegen. Nach glücklichen, entspannten, selbstbewussten Frauen wirkt das nicht gerade.

  • N
    Nana

    Habt Ihr den Originalartikel überhaupt gelesen?

     

    Slaughter ist immer noch Professorin in Princeton. Sie hat lediglich ihre Stelle in Washington aufgegeben, um ihren alten Uni-Job wieder anzunehmen. Sie ist keine Hausfrau.

  • U
    Unfreiberufler

    Warum wird die Geschichte unter der Überschrift "Feminismus" thematisiert?

     

    Es ist doch völlig egal ob Mann oder Frau die Lohnarbeit vergöttern.

     

    Es ist eine Lüge, dass Menschen Lohnarbeit lieben. Ohne Lohn würden nur wenige unter Lohnarbeitsbedingungen arbeiten.

     

    Diesbezüglich belügen Männer sich noch mehr als Frauen.

  • N
    noevil

    Eine mutige Frau - in solcher Umgebung. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist sicherlich nicht eben einfach, den eigenen Wunsch nach Unabhängigkeit, selbstbestimmtem Leben, Einkommen und Alterssicherung, abwechslungsreichen bereichernden Aussenkontakten zurückzunehmen und sich dem zu widmen, was sie für das zurzeit Wichtigste hält.

     

    Wir sollten mittlerweile alle reif genug sein, um individuelle Entscheidungen denen zu überlassen, die sie treffen und diese dann zu respektieren. Wer weiss, das dahinter ein kluger Kopf steckt, der wird sicher nicht auf intelligente Zustimmung stoßen mit kritischem Vorrechnen von Nachteilen, sondern unterstellen, dass sie wohl überlegt sind

    und dass jedermann/frau einen Anspruch hat auf achtungsvolle Akzeptanz solcher Entscheidungen.

     

    Schade nur, das selbst heute noch ein Buch mit Begründungen und Rechtfertigungen nötig ist - und dass es immer noch so häufig auf solch selbstgerechte Vorurteile und Verurteilungen stößt. Darf ich darauf tippen, dass sie hauptsächlich von weiblich emanzipierter Seite kommen, die den Geschlechtsgenossinnen das Recht und die Kompetenz auf gute eigene Entscheidung abspricht?

  • R
    retro

    Sie fordert: „Hört mit dem Lügen auf!“

     

    dem ist nichts hinzuzufügen!

  • SH
    Sebastian H.

    "Nur glaubte [William Daley] das fast niemand, es musste für einen Mann dieses Formats doch noch andere Gründe geben als bloß die Familie."

     

    Die Vermutung hatte ich auch bei Anne-Marie Slaughter sofort. Familienliebe klingt besser als ein drohendes Burn Out und es ist ja auch keine furchtbar originelle Taktik, dann zum Angriff über zu gehen. Das Buch zum reaktionären Skandälchen ist bestimmt schon in Planung.