: Keine Zugeständnisse
VON JAN PFAFF
„Wir lassen uns nicht erpressen.“ So lautete die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer gestrigen ersten Regierungserklärung auf die Entführung der Deutschen Susanne Osthoff im Irak. „Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus dürfen wir nicht nachgeben“, betonte Merkel.
Über die genauen Motive oder Hintergründe der ersten Entführung einer Deutschen im Irak sei aber noch nichts bekannt. „Daher verbieten sich voreilige Schlussfolgerungen“, sagte Merkel. In ihrer Rede sprach sie den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Die Bundesregierung unternehme alles, was in ihre Macht stehe, um Susanne Osthoff und ihren irakischen Fahrer so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen.
Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck betonte, dass die Regierung nicht auf Forderungen der Geiselnehmer eingehen werde. „Unser Land darf sich einer Erpressung nicht beugen“, sagte Struck. Die Schwester der Entführten, Anja Osthoff, forderte die Bundesregierung hingegen auf, den Tätern entgegenzukommen: „Ich hoffe, dass die Bundesregierung nicht so stur ist und sich vielmehr Gedanken über eine Veränderung in der Irakpolitik macht.“
Am Mittwochmorgen tagte erneut der Krisenstab des Auswärtigen Amtes in Berlin. Es gebe „intensive Kontakte mit allen relevanten Stellen und Einrichtungen“, sagte eine Sprecherin. Die irakischen Behörden haben jedoch noch keine Spur von den Entführern. Die Sicherheitsbehörden verfolgten alle verfügbaren Hinweisen, sagte ein Sprecher des irakischen Innenministeriums in Bagdad: „Trotzdem haben wir noch keine Informationen über das Schicksal oder den Zustand der Geiseln.“
Nach Einschätzung der ehemaligen französischen Geisel George Malbrunot entscheiden bei einer Entführung im Irak die ersten Tage über Leben oder Tod. Wichtig sei, dass die Entführer erkennen würden, die Regierung verhandle mit ihnen. „Dann kann man einen Kanal finden, über den ein Kontakt zustande kommt“, sagte Malbrunot. Islamistische Terroristen hielten den Journalisten Malbrunot zusammen mit seinem Kollegen Christian Chesnot bis Dezember 2004 vier Monate in Geiselhaft.
Mit der Geiselnahme Osthoffs ist im Irak eine mehrmonatige Pause bei Entführungen von Ausländern zu Ende gegangen. Neben Osthoff wurden in den vergangenen Tagen auch ein Amerikaner, ein Brite und zwei Kanadier Opfer von Kidnappern. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Fällen gibt, ist noch unklar.
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass die Entführung von Susanne Osthoff politisch motiviert ist. Nach Informationen der ARD gibt es Hinweise, dass einer der Entführer kein Iraker ist, sondern aus der Golf-Region stammt. Dies könnte bedeuten, dass er ein Mitglied des Terror-Netzwerks al-Qaida ist. Im Vorfeld der Entführung hatte die Deutsche offenbar persönliche Drohungen der Al-Qaida-Gruppe um den Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi erhalten.
Terror-Experten gehen davon aus, dass die Geiselnehmer gezielt ein Signal an die neue Bundesregierung senden wollen. „Der Zeitpunkt der Entführung ist kein Zufall“, sagte Kai Hirschmann, stellvertretender Leiter des Instituts für Terrorismusforschung in Essen. Die Entführung sei ein deutliches Signal an Berlin, nicht mit den Amerikanern und der neuen Regierung in Bagdad zusammenzuarbeiten, betonte Hirschmann.
Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sieht die Entführung als eine Warnung. Der Fall Osthoff zeige, dass auch Deutschland vom internationalen Terrorismus bedroht sei, sagte Schäuble.