Urteil zur Fixierung von Heimbewohnern: Keine Fesseln ohne Richter
Heimbewohner dürfen nicht mehr einfach so in Betten oder an Stühlen festgeschnallt werden. Das muss ein Richter genehmigen, entschied der Bundesgerichtshof.
KARLSRUHE dpa | Heimbewohner, die nicht mehr selbst entscheiden können, dürfen nicht ohne gerichtliche Genehmigung mit Bettgittern oder Gurten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.
Die Zustimmung des Betreuers reiche nicht aus, entschied der Bundesgerichtshof in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil. Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels eines Beckengurts seien freiheitsentziehende Maßnahmen, die eine gerichtliche Prüfung erfordern (Az. XII ZB 24/12).
Im konkreten Fall hatte der Sohn einer 1922 geborenen Frau eingewilligt, Bettgitter am Bett seiner Mutter anzubringen und sie tagsüber mittels eines Beckengurts in ihrem Stuhl festzuschnallen, nachdem sie mehrfach gestürzt war und sich dabei einen Kieferbruch zugezogen hatte.
Die Mutter hatte ihrem Sohn eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt, die auch Maßnahmen bei der Unterbringung in einem Heim umfasste. Die Zustimmung des Sohnes sei dennoch nicht ausreichend, entschied der BGH. Zum Schutz der Betroffenen müsse das Betreuungsgericht überprüfen, ob die Vollmacht auch im Sinne der Betroffenen ausgeübt werde.
Leser*innenkommentare
bluesscream
Gast
Sind es denn Formen intendierter Fortbewegung, aus dem Rollstuhl zu rutschen oder aus dem Bett zu fallen?
Was hat denn das mit Freiheitsberaubung zu tun?
Wäre es nicht sogar unterlassene Hilfeleistung, Menschen, die nicht mehr ihre Bewegungen zielgerichtet steuern können, keinen Haltegurt anzulegen oder an ihrem Bett Seitenteile anzubringen? Warum standardmäßig Pflegenden und Betreuern Böses unterstellen?
Die Auflage zur richterlichen Einzelfallüberprüfung kann nicht den Personal- und Qualifikationsnotstand in Pflegeeinrichtungen beheben.
sidonie wolfrum
Gast
Ja wenn es ausreichend Personal gäbe, könnten die verwirrten Leute auch individuell betreut werden und müssten nicht fixiert werden, aber wer soll auf sie aufpassen bei ca. zwei Pflegepersonen für 21 Bewohner.
P. Ree
Gast
Aus Sicht eines Pflegenden eine mittelschwere Katastrophe !
Die Personalsituation in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist kurz vorm kollabieren und jetzt MUSS jedesmal, wenn jemand (zeitweise) desorientiert ist, ein Richter zuvor hinzugezogen werden?!
Bedeutet erstmal ne Menge Arbeit für unsere Amtsrichter, die ja sonst nix zu tun haben...Und wenn sie nicht schnell genug arbeiten, auch noch massig Arbeit für Ärzte, Therapeuten und Pflegende!
So kann man die Spirale mit dem demographischen Wandel noch weiter verschärfen!
Es ist sicher unbestritten, dass es aufgrund des immer akuter werdenden Personalmangels, gerade in Pflegeheimen, Maßnahmen dieser Art zum "Ruhigstellen" gibt, da eine adäquate Versorgung nicht gewähleistet werden kann. Aber das sind Ausnahmen. Im Normalfall entscheiden kompetente Ärzte, Betreuer und Pflegende gemeinsam, welche Maßnahmen zum Schutz des Patienten/Bewohners kurzfristig getroffen werden müssen. Bei langfristigen Maßnahmen wird ohnehin ein Amtsrichter hinzugezogen!
Das dies ruhig häufiger auf Aktuallität überprüft werden könnte, sehe ich allerdings auch als gegeben an.
Altenpfleger
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zu 90% geht es dabei um Bettseitenteile. In einem mir bekannten Heim mit fast 200 Bewohnern gibt es zahlreiche richterlich genehmigte Fixierungen zum Schutz, darunter sind 0-mal "Fesseln" und 0-mal Bauchgurte im Bett, sondern ausschließlich sturzprophylaktische Maßnamen wie eben Bettseitenteile, einen Therapietisch am Rollstuhl oder ein Sender, damit demente Bewohner mit Hinlauftendenz sich im Rahmen frei bewegen können, aber sich nicht verirren.
Rainer B.
Gast
Im ersten Moment macht sich bei mir Erleichterung breit. Im zweiten Moment muss ich daran denken, wer da heute so alles ein Richteramt bekleidet und wie ein Richter heute so wegarbeitet. Mir wird klar, dass es wahrscheinlich genausoviele Fesselungen in den Heimen geben wird - aber obendrein noch mit richterlicher Genehmigung.
Wolfgang Banse
Gast
Würde des Menschen wird genommen
Wenn Menschen fixiert und angebunden werden,verstösst des ganz eindeutig gegen die im Grundgesetz der Bundesrepublik-Deutschland garantieretn Grundrechte.
Möge jede und jeder davor bewahrt werden ausgeliefert zu sein,was Senioren-und Pflegeheime anbetrifft in Deutschland.