: Der Unmut erreicht Hochspannung
Trotz der Ankündigung von RWE, 5 Millionen Euro in einen Hilfsfond zu zahlen, bleibt die Kritik laut. Rund 1.500 Menschen im Münsterland sind seit einer Woche ohne Strom. Sie und die Helfer glauben nicht, dass das Geld reicht
STEINFURT taz ■ Die Kritik am Energieversorger RWE wegen des Stromausfalls im Münsterland hält an. Nach ersten Berechnungen gehen die Kosten in die Millionenhöhe. Allein im Kreis Steinfurt hätten die Hilfsmaßnahmen „mehrere hunderttausend Euro pro Tag“ gekostet, sagt der Leiter des dortigen Krisenstabes, Martin Sommer.
„Die Kosten müssten eigentlich zu Lasten von RWE gehen“, findet Jürgen Buchting, Leiter des Ordnungsamtes der vom Schneesturm schwer betroffenen Stadt Vreden. RWE sei zuständig für die Versorgung mit Strom. Der Härtefallfonds, den den der Energiekonzern nun für die Betroffenen einrichten will, erscheint vielen im Münsterland als zu klein. „Mit fünf Millionen Euro kommt man nicht weit“, heißt es ziemlich deutlich im Borkener Rathaus.
Der Vorstandsvorsitzende von RWE Energy, Berthold Bonekamp, hatte am Mittwoch in Dortmund einen Hilfsfonds über fünf Millionen Euro angekündigt. RWE richte den Fonds jedoch „unabhängig von jeder rechtlichen Verpflichtung“ ein. Wie das Geld ausbezahlt wird, soll nun mit den Kommunen verhandelt werden.
Wie hoch die durch den Stromausfall insgesamt verursachten Kosten genau sind, ist allerdings noch gar nicht abzuschätzen. „Das muss in den nächsten Tagen genau ermittelt werden“, sagt etwa Karlheinz Gördes, Sprecher des Kreises Borken. Er schätzt, dass im Raum Borken zeitweise 250.000 Menschen ohne Strom waren. Ganze Städte im Münsterland mussten zeitweise mit Notstromaggregaten versorgt werden. Hinzu kamen hunderte von Helfer von Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk und anderen Organisationen. Die oft ehrenamtlich arbeitenden Helfer wurden dafür von ihren Arbeitgebern freigestellt, die dementsprechend Ausfälle haben – und haben werden.
Denn weiterhin müssen Hunderte von Menschen im Münsterland ohne Strom ausharren. Gestern waren es noch rund 1.500. Aber bei der Reparatur der Leitungen werde es nun „keine schnellen Erfolge mehr geben“, sagte gestern der Sprecher der Bezirksregierung Münster, Stefan Bergmann.
Bei den Unternehmen in der Region gehen die Schäden inzwischen in die Millionen. Auf „100 Millionen Euro plus“ beziffert die Industrie- und Handelskammer Nord-Westfalen den wirtschaftlichen Verlust. IHK-Sprecher Christoph Pieper befürchtet, dass gerade kleinere Unternehmen aus Gastronomie und Handel wegen des Umsatzausfalls in Liquiditätsengpässe kommen. „Es wird in den nächsten Wochen solche Probleme geben.“ Er hofft nun, dass mit den Mitteln aus dem RWE-Fonds auch in Not geratene Unternehmen unterstützt werden. Andernfalls müssten das Land, die NRW-Bank oder die Bürgschaftsbank einspringen, fordert Pieper. Mit allen dreien sei die IHK bereits im Gespräch.
Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn hat unterdessen gefordert, die Energieunternehmen bei Stromausfall finanziell in die Pflicht zu nehmen. Nötig sei eine gesetzliche Regelung wie in den Niederlanden, wo die Bürger Anspruch auf Schadensersatz hätten. In den betroffenen Gebieten Westfalens wird der Vorschlag aber wohl erst in ein paar Tagen diskutiert werden. „Erst geht es uns darum, alle Leute wieder ans Netz zu kriegen“, sagt Jürgen Buchting vom Vredener Ordnungsamt. DIRK ECKERT