Väterrechtler über getrennte Eltern: „Kein Grund für Kontaktverbot“

Getrennte Eltern sollten Kinder gleichermaßen betreuen, sagt Rainer Sonnenberger vom Verein „Väteraufbruch für Kinder“. Nur dann lernen sie, kritisch zu denken.

Bei Trennung wäre das Ideal das Doppelresidenzmodell. Bild: dapd

taz: Herr Sonnenberger, manche getrennte Eltern streiten sich ums Sorgerecht oder darüber, wer wie welchen Umgang mit den Kindern haben darf. Wie ist das für die Kinder?

Rainer Sonnenberger: Mitunter dramatisch. Sie können den Streit auf sich beziehen und empfinden den fehlenden Elternteil als Leerstelle. Grundsätzlich sollten beide Eltern ihre Kinder betreuen.

Was, wenn die das nicht hinbekommen und sich stattdessen einen Rosenkrieg liefern?

Dann sollten sie im Interesse ihrer Kinder versuchen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, notfalls mithilfe von Erziehungsberatern oder Mediatoren. Als Ultima Ratio kann zwar auch ein Familiengericht entscheiden. Aber selbst danach müssen die Eltern ein Minimum an eigenständiger Kommunikation herstellen.

Gibt es eine Grundregel, wer wie Umgang haben sollte?

Als Ideal sehen wir das sogenannte Doppelresidenzmodell: Beide Eltern betreuen ihre Kinder zu gleichen Teilen. Das ist in Deutschland momentan aber nur dann umsetzbar, wenn sich Mutter und Vater darauf einigen.

44, ist Bundesvorsitzender des Vereins „Väteraufbruch für Kinder“. Der Verein setzt sich dafür ein, dass beide getrennte Eltern Umgang mit ihren Kindern haben.

Nicht wenige Eltern lehnen das ab, weil sie glauben, dass das ihren Kindern schadet.

Eltern fehlen Erfahrungen mit dem Modell. Es kommt auch immer auf den Einzelfall an.

Es gibt Mütter und Väter, die zeichnen vom getrennten Partner ein dämonisierendes Bild. Wie ist das für die Kinder?

Sie geraten in einen schweren Gewissenskonflikt, wenn sie gesagt bekommen: Du hast einen schlechten Vater, du hast eine schlechte Mutter. Das äußere Bild passt dann mit dem, was sie sich selbst vom anderen Elternteil gemacht haben oder noch machen werden, nicht zusammen. Manche Kinder lehnen den als dämonisch beschriebenen Elternteil ab und damit auch einen Teil von sich selbst. Das darf nicht sein.

Was, wenn ein Elternteil tatsächlich nicht gut ist fürs Kind?

Das müssen notfalls die Gerichte klären. Kinder sollten aus Elternstreitigkeiten generell herausgehalten werden.

Wie ist das mit rechtsextremen Eltern?

Ideologische Haltungen sind kein Grund, den Kontakt zu unterbrechen oder zu verbieten. Würde der Staat anders handeln, könnte man ganz schnell allen möglichen Trennungseltern die Kinder wegnehmen, Fanatikern in Sekten etwa oder christlichen Fundamentalisten. Übrigens fragt niemand bei Eltern, die zusammenleben, nach, was die mit den Kindern machen. Selbst dann nicht, wenn beide Eltern nach unseren Maßstäben „durchgeknallt“ sind.

Leiden Kinder darunter, wenn sie ein Elternteil nicht sehen?

Kinder neigen dazu, einen Elternteil, mit dem sie keinen Kontakt haben, zu überidealisieren oder zu verteufeln. Kinder sollten sich deshalb ein eigenes Bild von beiden Eltern machen können, um sich auch ganz bewusst von ihnen abgrenzen zu können.

In welchem Alter können Kinder das?

Das können Kinder schon relativ früh. Häufig können sie die unterschiedlichen Lebensmodelle ihrer getrennten Eltern gut „händeln“. Spätestens in der Pubertät entwickeln sie ihre eigenen Vorstellungen, sie können sich deutlich positionieren und sind nicht einfach nur Mitläufer.

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