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Archiv-Artikel

ULRICH SCHULTE ÜBER DEN DAUERSTREIT IN DER SCHWARZ-GELBEN KOALITION Großmutter und die Kasperle

Die Maximalforderungen der FDP stärken die CDU in ihrer Rolle als integrierende Volkspartei

Angela Merkel stehen turbulente Tage bevor. In Stuttgart trifft sich die FDP zum Dreikönigstreffen und wird dort erneut Versprechungen machen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Und in Wildbad Kreuth wird die CSU zugleich wie gewohnt krachledernes Selbstbewusstsein demonstrieren. Kurz, die Kleinen machen, was sie wollen. Gut 100 Tage nach ihrem Start führt Merkel eine Chaos-Koalition an.

Während die CSU den eigenen Bedeutungsverlust mit Kraftmeierei überspielt, negiert die FDP schlicht ihre Regierungsverantwortung. Anders lässt sich nicht deuten, dass sie den BürgerInnen auch dann noch irrsinnige Milliardengeschenke in Aussicht stellt, wenn in deren Kommunen längst die Lichter ausgehen. Es ist wie im Kasperletheater: Christsoziale und Liberale rufen laut durcheinander und prügeln aufeinander ein wie Kasper und Seppl. Und Merkel? Sie lässt beide gewähren. Auf die Gefahr, dass sich stets derjenige durchsetzt, der am hemmungslosesten auftritt.

In der großen Koalition hatten sowohl CDU als auch SPD noch das Ziel, gesellschaftlich integrierend zu wirken. Die FDP hingegen zielt kühl auf den Egoismus weniger. Und wenn etwa Fraktionschefin Homburger über Einsparungen bei der Arbeitsagentur fabuliert, lässt sie dabei deutlich anklingen, was sie von vermeintlichen Losern der Gesellschaft hält.

Merkel muss all das nicht schaden, im Gegenteil: Im Kasperletheater, das ihre Koalitionspartner veranstalten, wirkt sie wie die weise Großmutter. Auch wenn sie nicht durch eigene Entscheidungen glänzt: Von ihren Partnern, die sich immer mehr in Extrempositionen verrennen, hebt sie sich fast automatisch als Verkörperung moderater Vernunft ab. Die Maximalforderungen der FDP stärken die CDU in ihrer Rolle als moderne Volkspartei, die als soziales Gewissen der Koalition das Schlimmste zu verhindern verspricht. Darum hält sich die Kanzlerin aus allen Konflikten raus: sie profitiert lieber – und schweigt.

Inland SEITE 6