Verdrängung auf der Nordseeinsel: Wohnungsnot gefährdet Sylt

Fast 3.000 Wohnungen müssen auf der Insel Sylt gebaut werden, stellen Berliner Berater in einem Konzept fest. Sonst droht die "Supergentrifizierung".

Hat kein Problem mit den Sylter Preisen: Wolfgang Joop. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Mieten sind hoch, die Wohnungen klein: Viele junge Erwachsene müssen bei ihren Eltern wohnen bleiben, etwas anderes ist nicht finanzierbar. So sieht die Wohnsituation auf Sylt für all diejenigen aus, die keine Urlauber sind, die sogenannten Dauerwohner. Damit sich daran etwas ändert, müssten bis 2025 2.850 neue Wohnungen auf Sylt entstehen, davon 600 bis 800 geförderte – so steht’s im Wohnmarktkonzept, das das Berliner Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IFS) für die fünf Sylter Gemeinden erstellt hat.

Wenn es weiter geht wie bisher, erwartet Jürgen Veser vom IFS, dass die Bevölkerung immer älter wird. Wer es sich nicht mehr leisten kann, wandert ab aufs Festland. Es wird immer schwieriger, Leute für Jobs auf der Insel zu gewinnen, auf der es zwar Arbeit gibt, aber kaum bezahlbare Wohnungen. Die fehlenden Arbeitskräfte könnten die Entwicklung der Sylter Wirtschaft stark einschränken, warnt Veser. Bildungseinrichtungen und Kindergärten seien in Gefahr.

Veser hat festgestellt, dass mehr als ein Drittel der Einwohner auf Sylt nur einen Zweitwohnsitz hat – sie verdrängen Dauerwohner und treiben die Mieten in die Höhe. Dazu kommen Wohnungen, die nur touristisch vermietet werden. In einigen Orten sind die Zweitwohnungen in der Mehrheit.

Im Konzept gibt es Handlungsempfehlungen für die Kommunalpolitik: Bei der Umwidmung vorhandener Flächen müsse darauf geachtet werden, dass sie im Besitz der Kommunen bleiben – um die Spekulation nicht anzuheizen, heißt es in dem Papier. Bei neuem Bauland müsse gesichert werden, dass es nur fürs Dauerwohnen genutzt werde. Außerdem müssen die Kommunen im Wohnungsbau aktiv werden und bezahlbaren Wohnraum anbieten. Die Besonderheit auf Sylt: Weil viele Gebiete unter Naturschutz stehen, ist es kaum möglich, neues Bauland auszuweisen.

Die Problemanalyse ist sehr deutlich, die Handlungsempfehlung klar. Doch was passiert jetzt damit? Es wird beraten: „Die Sylter Gemeinden müssen beziehungsweise sollen das gesamte Wohnraumentwicklungskonzept, wenn es vollständig erarbeitet ist, beschließen“, sagt Christian Hinz, Leiter des Inselbauamts der Gemeinde Sylt, zu der auch Westerland gehört.

Im Wohnraumkonzept für die Nordseeinsel beschreiben die Autoren den jetzigen Zustand auf dem Wohnungsmarkt so:

Die Nettokaltmiete liegt auf Sylt im Schnitt bei 8,78 Euro pro Quadratmeter. Bei privaten Eigentümern zahlen Mieter im Schnitt 11,42 Euro.

Die Mietausgaben fressen im Schnitt 27,2 Prozent des Einkommens; wenn es unter 1.500 Euro liegt, sogar 34 Prozent.

Die Bevölkerung wird bis 2025 um sechs Prozent zurückgehen, die Zahl der Haushalte aber um zwei Prozent steigen.

Was die Berliner Konzeptschreiber ganz nüchtern aufschreiben, ist für Katinka Gosselaar schon ganz konkret zu spüren: „Wenn die Touristen nicht da sind, gibt es kein dörfliches Leben mehr in einigen Orten“, sagt sie. Sie ist eine der Gründerinnen der Initiative „Zukunft Sylt“, die sich für mehr bezahlbaren Wohnraum einsetzt. Sie spricht von einer „Supergentrifizierung“ auf der Insel. Die Gruppe fordert unter anderem, den ehemaligen Fliegerhorst auf der Insel zu bebauen. „Ein ehemaliges Militärgelände ist die einzige mögliche Fläche auf der Insel, auf der ausreichend bezahlbarer Wohnraum für die Sylter geschaffen werden könnte“, so Gosselaar. Der Haken: Der Bund hat es an die Gemeinde Sylt verkauft. Bedingung für den jetzigen, günstigen Preis: Das Gelände muss renaturiert werden.

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