Herta Müller kritisiert Nobel-Akademie: Fataler Freibrief für China
Eine Preisträgerin gegen den anderen: Herta Müller übt scharfe Kritik an der Vergabe des Literaturnobelpreises an Mo Yan.

War den Tränen nah, als sie von der Auszeichnung für Mo Yan hörte: Herta Müller. Bild: dpa
STOCKHOLM taz | „Eine Ohrfeige für alle, die für Demokratie und Menschenrechte arbeiten.“ Das ist für Herta Müller die Entscheidung der Schwedischen Akademie, den Literaturnobelpreis an den chinesischen Schriftsteller Mo Yan zu verleihen.
Hatte die Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2009 die diesjährige Wahl schon bislang mit Äusserungen wie Mo Yan sei „nicht mein Kandidat“, kommentiert, spricht sie in einem am Wochenende von der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter veröffentlichten Interview Klartext: Sie halte diese Wahl „für eine Katastrophe“.
Den Tränen nahe gewesen sei sie, als sie die Preis-Nachricht gehört habe, denn laut ihren Informationen sei „Mo Yan ein hoher Funktionär, der den gleichen Rang wie ein Minister“ hat. Nehme man nur das Beispiel, dass er Mao Tse-tungs „Rede über die Kunst“ per Hand kopiert habe: „Im Namen dieser Rede sind unzählige Intellektuelle und auch Schriftsteller ermordet worden. Und da sagt er, dass er sich nichts Besonderes dabei gedacht habe, als er diese Rede kopiert habe.“
Völlig falsche Signale sende die Akademie aus, wenn sie einem Verfasser, der stellvertretender Vorsitzender des chinesischen Schriftstellerverbands sei, den Literaturnobelpreis verleihe, während gleichzeitig der Friedensnobelpreisgewinner Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft verurteilt im Gefängnis sitze: „Die Chinesen wissen nun, dass es ganz in Ordnung ist, mit bestimmten Menschen so umzuspringen, und dass andere dann auch noch belohnt werden. Das ist fatal.“
Leser*innenkommentare
Bernardo Markowsky
Gast
@anke: "(Wie es jetzt ist, dazu sagt er wohlweislich nichts.) Hat Herta Müller anders gehandelt? Kaum." Bitte nach- lesen, zum Beispiel Biografien. Das kostet nichts, allenfalls vorschnelle Urteile (die sich bei fehlendem input schnell zu Vorurteilen auswachsen. In diesem Fall bei Ihnen. Doch was solls, es ist offensichtlich unmoeglich, Unbequemen (und das war sie, tapfer wie unbeugsam) wie Herta Mueller gerecht zu werden, wenn man/frau es geistig gern (wohlweislich?) bequem und wohl geordnet hat. Vieles kann man im Laufe eines Lebens lernen, Tapferkeit eher nicht. Sie zeigt sich , wenn sie gebraucht wird. Oder ihr Gegenteil.
V. Müller
Gast
Frau Herta Müller (mit der ich glücklicherweise nicht verwandt bin) ist wirklich reaktionär bis auf die Knochen.
rusti
Gast
Natürlich ist es ein großer Fehler gewesen, diesen bourgeoisen Brandstifter der chinesischen "Kommunisten" so einen Preis an zu gedeihen. Genau wie ChristlichSoziale die noch heutzutage, missliebige Menschen in die Klapse wegsperren, einen Regierungsauftrag zu erteilen. Alles ein widerliches, menschenverachtendes und faschstoides Gebräu.
ääää
Gast
ich dachte, das is n literaturpreis und kein politischer...
dirk
Gast
Arme Herta Müller. Den Tränen war sie nahe. Besser wäre es, sich mit Mo Yans Literatur kritisch auseinanderzusetzen, als die Meinung der Medienindustrie nachzuplappern.
anke
Gast
Das hat er nun davon! Hätte Mo Yan den Rat seiner Namensgeber beherzigt und die Klappe gehalten, wären uns die Tränen der Herta Müller womöglich erspart geblieben. Dann nämlich hätte Müller nie erfahren, dass Mo sich "nichts Besonderes dabei gedacht" hat, als er Maos "Rede über die Kunst" per Hand kopierte, und Müller hätte sich nicht an eigenes Leid erinnern müssen.
Mag sein, dass Frau Müller etliche Leute beeindruckt mit ihrer Erschütterung. Öffentlich zur Schau gestellte Emotionen sind ja gerade ganz groß in Mode. (Aus Marketinggründe, heißt es.) Allerdings ist es für einen Menschen, der nicht im Elfenbeiturm lebt, schwer zu glauben, dass ausgerechnet eine Schriftstellerin von Müllers Format die Realität bisher gänzlich ignorieren konnte. Zu allen Zeiten und in allen Gegenden der Welt wurden und werden die größten Verbrechen von Leuten begangen, die sich (A) nichts Besonderes dabei denken und (B) im Namen anderer agieren. Man müsste Tag und nach heulen und käme zu gar nichts anderem mehr, wollte man sich jedesmal den Tag verderben lassen, wenn man (allen Schweigegelübten der Welt zum Trotz) davon erfährt.
Mo hat die Klappe nicht gehalten. Er hat erzählt, wie es war für ihn, damals unter Mao. (Wie es jetzt ist, dazu sagt er wohlweislich nichts.) Hat Herta Müller anders gehandelt? Kaum. Die Schlüsse, die sie aus Mos Äußerungen zieht, sind vermutlich ihrer übergroßen Erregung geschuldet. Logisch nämlich sind sie nicht. Dass Schweigen sinnvoller gewesen wäre, halten ich jedenfalls für ausgeschlossen. Auch, wenn der "magische" Bauern-Realismus des Herrn Mo so gar nicht meine Wahl gewesen wäre (zu billig, finde ich) - eine echte "Katastrophe" sieht dann doch noch ein ganz klein wenig anders aus.
peripatus
Gast
Wenn in der Ukraine oder in Rußland oder in China Menschenrechte verletzt werden, gibt es bei Deutschen Politikern und Meinungsbildner einen großen Aufschrei, der natürlich in der TAZ veröffentlicht wird.In Bayern wird ein Mann, der CSU affinen Steuerbetrügern gefährlich erscheint seit 6 Jahren in der geschlossenen Psychiatrie weggesperrt-die Politik und die Justiz mauert und bis auf die SZ schweigen fast alle Printmedien.
wolf26
Gast
Die sogenannten " Menschenrechte " sind doch nur eine
Worthülse um Anderen Vorschriften und Belehrungen zu
erteilen.
Karl
Gast
Leider bringt mich dieser Artikel überhaupt nicht weiter. Ist Mo Yan nun ein Mensch mit ähnlichen Rechten wie ein Funktionär oder sind das tatsächlich nur die Informationen einer Literaturnobelpreisträgerin? Und wie geht es weiter. Informationen zu Mo Yan etc.? Kritischer Journalismus sieht anders aus.
Fritz
Gast
Fuer die Menschenrechte zu kaempfen ist sehr loeblich, aber China ist vielleicht doch zu hoch fuer sie.