Kommentar Stahlwerk Lothringen: Hoch gepokert, hoch verloren
War für die Regierung beim Stahlwerk in Lothringen nicht mehr herauszuholen als ein fauler Kompromiss? Es wäre viel mehr drin gewesen.
D ie Stahlarbeiter in Lothringen sind selbst schuld, wenn sie Wahlversprechen des Sozialisten Hollande aufs Wort geglaubt haben. Sie bezahlen jetzt die Zeche beim Pokern zwischen der Pariser Regierung und dem indischen Stahlboss Lakshmi Mittal.
Dass dieser beim Ringen um die Zukunft der Hochöfen von Florange am Ende die Trümpfe in der Hand hielt, war vorauszusehen. Hollande hat mit einer minimalen Einigung nur sein Gesicht gewahrt, nicht aber die Hochöfen gerettet.
War wirklich nicht mehr herauszuholen als ein fauler Kompromiss? Enttäuschend ist es allemal für die Linkswähler und Gewerkschaften, wenn „ihre“ Regierung so kleinlaut den Schwanz einzieht, nachdem einer ihrer prominentesten Minister vor den Kameras zuerst den starken Mann gespielt und dem größten Stahlindustriellen der Welt mit Verstaatlichung gedroht, ja ihn sogar zur „persona non grata“ in Frankreich erklärt hatte. Im Nachhinein wirkt das alles wie ein billiger Bluff.
ist Frankreich-Korrespondent der taz.
Die Regierung hat sich verbal übernommen, sie konnte politisch und finanziell nicht mithalten. Der hochverschuldete französische Staat ist erpressbar, er hat nicht die Mittel, selbst in die Stahlindustrie zu investieren. Ein staatlicher Rettungsplan für Florange könnte zudem einen Präzedenzfall schaffen, auf den sich alle anderen von der Krise betroffenen Sektoren zu Recht berufen würden.
Das wusste auch Hollande. Er wollte ja das Gespenst der Nationalisierung bloß als letztes Argument einsetzen, ohne je wirklich zur Tat schreiten zu wollen. Diese Taktik war zu durchsichtig. Wie Industrieminister Arnaud Montebourg hat sich Hollande deswegen lächerlich gemacht. Seine Abschreckungswaffe hat sich als Knallfrosch erwiesen und wird beim nächsten Kampf um Arbeitsplätze keinen Boss mehr terrorisieren.
Die Regierung hat die Chance vergeben, ein Exempel zu statuieren und zu zeigen, dass sie effektiv so radikal sein kann, wie sie (manchmal) redet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher