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Kommentar LänderfinanzausgleichDas bayerische Ressentiment

Kommentar von Martin Reeh

Gewinnt die Klage der Geberländer, gewinnt der Egoismus der Besserverdienenden. Das innerdeutsche Solidarmodell wäre dann, wie das europäische, Vergangenheit.

B erlin gilt mittlerweile als das Griechenland Deutschlands: eine Stadt, die nichts auf die Reihe bekommt, riesige Schuldenberge anhäuft und vom Geld der anderen lebt, regiert von einem sorglosen Partybürgermeister. Bayern und Hessen machen sich dieses Ressentiment jetzt bei ihrer Klage gegen den Länderfinanzausgleich zunutze.

„Diejenigen, die besonders hart arbeiten, erfolgreich wirtschaften und noch sparen, werden bestraft“, argumentiert Bayerns Finanzminister Markus Söder. Heißt übersetzt: Die fleißigen Bayern und Hessen sollen mehr vom erwirtschafteten Geld behalten dürfen, die Faulpelze in anderen Bundesländern nicht in der Hängematte liegen.

Das ist, vorsichtig formuliert, eine eigenartige Sicht der wirtschaftlichen Situation der Nord- und Ostbundesländer. Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Bremen leiden immer noch unter dem Strukturwandel nach der Schließung von Zechen und Werften, der Osten unter den Folgen von Teilung und deutscher Einheit. Ein Patentrezept dagegen hat niemand.

taz
Martin Reeh

ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Berlin, das die umfangreichsten Mittel aus dem Mittel aus dem Finanzausgleich erhält, hätte einen guten Teil seines wirtschaftlichen Abstiegs und des Schuldenbergs wohl vermeiden können, hätte die Bundesregierung nicht im Vertrauen auf blühende Landschaften ihre Zuschüsse nach 1990 zu schnell zurückgefahren.

Natürlich lässt sich über Details im jetzigen Länderfinanzausgleich debattieren, etwa über die finanzielle Bevorzugung von Stadtstaaten gegenüber Kommunen. Aber die Klage von Bayern und Hessen geht darüber hinaus: Hat sie Erfolg, wird die Besserstellung der südlichen Bundesländer zementiert. Mehr Geld etwa für Münchner Theater, Opern, Universitäten und Olympiabewerbungen würden den Standortfaktor einer ohnehin reichen Region weiter stärken. Den Egoismus der Besserverdienenden, die die Bundesregierung in der Eurokrise vorgemacht hat, holen Bayern und Hessen nun auf innerdeutscher Ebene nach.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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15 Kommentare

 / 
  • C
    Cometh

    @steba

     

    Nein, es ist NICHT gerecht, dass Sie Kita-Gebühren zahlen, die Berliner sie sich aber ersparen können. Die Berliner werden dadurch noch reicher, können sich noch größere Wohnungen leisten, mehr sparen, einen schöneren Urlaub, neben Klavier- auch noch Tanzstunden fürs Töchterlein.

     

    Aber das interessiert niemanden.

     

    Auch nicht, dass man woanders z.T. weit fahren muss, um kulturelle Veranstaltungen zu hohen Preisen zu sehen, während die Berliner wieder sparen können, weil es alles günstig ist und auf einem silbernen Tablett serviert wird.

     

    Aber das interessiert niemanden.

     

    Die Berliner werden die Subventionen mit Zähnen und Klauen verteidigen und als ihr gutes Recht fordern (Hauptstadtlasten). Da wird sich nix ändern.

  • A
    Arne

    Ich äußere mich ja ungerne zweimal zu einem Artikel, aber wenn hier in den Kommentaren sonst keiner korrigiert, muss ich es wohl machen:

    @Sven/Zyniker:

    In Hessen, neben Baden-Württemberg das einzige Land noch, was nie etwas vom Länderfinanzausgleich bekam, gab es 46 Jahre SPD-Regierungsbeteiligung und nur 22 Jahre CDU-Beteiligungen. Hamburg hat auch seit 1950 nur 3 Jahre Zahlungen erhalten und war ebenfalls meistens sozialdemokratisch regiert. NRW bekommt erst seit 2008 Zuweisungen, solange hat es meistens gezahlt. (2008 regierte dort CDU-Rüttgers.) Korrekt ist, dass die CDU-regierten Ostländer meistens Knete aus dem Westen bekommen und dass dort vorher eine sog. realsozialistische Wirtschaftsweise herrschte. Aber die wollte ein CDU-Mensch namens Kohl trotz Warnungen von jemanden wie Lafontaine ja unbedingt in die BRD zu blühenden Landschaften machen (bevor er und seine Nachfolger diese BRD endgültig so ruinierten, dass die BRD sich heute lieber als Erfolgsmodell gegenüber ehemaligen Urlaubsländern wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal verkaufen kann. Skandinavische Staaten lachen über die deutsche Produktivität.)

  • F
    Felix

    Das finde selbst ich als Berliner zu einseitig...

  • J
    Jani

    Solidarität kann nicht immer nur die Verteilung von Geld sein.

    Wenn ich mir kein Schwimmbad leisten kann, dann muss ich es eben zumachen und wenn ich mir kein Theater leisten kann, dann muss es eben zumachen.

    Das Leben ist nicht nur Festival liebe Berliner.

    Es leben so viele Kreative in Berlin, da muss es auch genug Kreativität geben Arbeitsplätze zu schaffen.

    Und zwar solche die sich selber tragen und nicht solche die subventioniert werden.

  • S
    Stefan

    Das ist ein sehr einseitiger Kommentar.

     

    Herr Rehh will offenbar nicht zusehen, was offensichtlich ist: Dass die Süddeutschen Länder (bzw. deren Regierungen) besser wirtschaften und die Ausgaben für die Bürger besser durchdenken, bevor das (dort ja vorhandene) Geld ausgibt.

     

    Bayern hat seit Jahren einen schuldenfreien Haushalt - das kommt nicht von ungefähr. In Berlin hat die Regierung nicht mal das Bedürfnis, das ebenfalls anzustreben. Man ist offensichtilch lieber "arm aber sexy", anstatt solide mit den Steuergeldern umzugehen.

     

    In Bayern wurden in der Vergangenheit eben auch unpopuläre Entscheidungen getroffen, weil man die Vernunft vor Wählerstimmen gestellt hat (Studiengebühren), Milliardengräber geschlossen (Transrapid). Der Wähler ist dann zwar auch mürrisch, aber letztlich dankt er doch für solide Finanzpolitik.

     

    Und trotz ausgeglichenem Haushalt und vernüftigen Finanzen: Nirgendwo ziehen mehr Bürger hin also nach Bayern.

  • Z
    Zyniker

    Ach ja Vic,

    wer hat den jahrzehntelang in der DDR oder NRW regiert.

     

    Soviel zum Thema Verantwortung.

    Immer die große Schnauze, aber niemals für irgendwas gerade stehen.

  • V
    vic

    Klar Sven,

    die Linken sind schuld.

  • LL
    Luna Lovegood

    Die einzige (1) wirtschaftlich sinnvolle und zugleich (2) politisch durchsetzbare Reformmöglichkeit, die ich sehe, ist:

     

    Die Transfers müssen für einen sehr langen Zeitraum auf ihrem jetzigen Niveau eingefroren bzw. garantiert werden.

     

    Dann würde (1) der Fehlanreiz, dass noch schlechtere Politik mit noch mehr Transfers belohnt wird, sofort entfallen, weil sich die Transfers nicht mehr verändern würden. Alle Länder, auch die Geber, hätten dann stärkere Anreize, bei sich zuhause bessere Politik zu machen und ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Gleichzeitig (2) würden aber die heutigen Transferempfänger nicht schlechter gestellt, was unbedingt notwendig ist, weil sie alles andere politisch blockieren können und werden.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Ich sehe hier kein einziges Argument; ganz im Gegenteil wird hier einfach nur den zukünftigen Klägern Ressentiments unterstellt und dann nach dem Prinzip "weil nicht sein kann, was nicht sein darf" (nämlich die Verringerung von Transferzahlungen und -- Himmel hilf! -- mehr Geld für Münchner Theater und Opern) die Gegenseite verdammt. Ob die Gegenseite mit ihren Argumenten recht haben könnte, wird gar nicht erst erörtert.

    Fazit: Leute, die ohnehin an den Segen von Transferzahlungen glauben (und glauben ist genau das richtige Wort), werden dem Artikel zustimmen und denken, dass hier sogar argumentiert wurde (obwohl das nicht geschehen ist).

  • S
    steba

    Für meine drei Kinder habe ich hier in Bayern mehrere Tausend Euro Kindergartengebühren bezahlt. In anderen Bundesländern, die von Bayern insgesamt 4 Mrd. bekommen, müssen die Eltern nicht bezahlen. Gerecht?

  • D
    drui

    "Den Egoismus der Besserverdienenden, die die Bundesregierung in der Eurokrise vorgemacht hat, holen Bayern und Hessen nun auf innerdeutscher Ebene nach."

    Das ist eine sehr berlingefärbte Sichtweise. Zwar hat Bayern viele Jahrzehnte ebenfalls vom Länderfinanzausgleich profitiert, sich aber nicht darauf ausgeruht. Fakt ist: Momentan zahlen lediglich drei Länder an 13 andere und das recht massiv, ohne Perspektive auf Änderung, das System ist damit in seiner Zielerreichung für alle kontraproduktiv, ein Wettlauf, wer die meisten Schulden macht, bekommt am meisten Geld, wer einen ausgeglichenen Haushalt hat, verschuldet sich für die noch größeren Schuldner. Bayern ist mit Niedersachsen das letzte Land mit Studiengebühren, Hessen hat diese auch recht spät abgeschafft. Bayern gibt auch relativ wenig für Kunst und Kultur aus, va. im Vergleich mit den Stadtstaaten, und hat seinen Bürgern einen harten Sparkurs verordnet und so einen ausgeglichenen Haushalt erreicht, zur Freude von 13 Bundesländern, die dadurch ohne eigene Anstrengung mehr Geld bekommen. Zudem gibt es die regionalen Umverteilungen über Bundessteuern, Soli und Sozialversicherungsabgaben. Wenn einige Länderregierungen (wie auch in Berlin) ihr Geld für sinnlose Großprojekte verprassen und damit nicht umgehen können, so sollten sie dies nicht unendlich in dieser Weise fortsetzen können, sondern wichtige sozialstaatliche Aufgaben wie Bildung und ev. auch Polizei freiwillig an den Bund abgegeben. Wir schmeißen das Geld für einen nie funktionierenden Flughafen raus und können zigtausende Romakinder nicht impfen, weil dem "Land Berlin" die "Stadt Berlin" scheißegal ist. Außerdem verschulden wir uns immer tiefer und auf Kosten kommender Generationen. Die Klage Bayerns und Hessens soll eine Neuordnung des Finanzausgleiches erreichen, keine Abschaffung. Der populistische Kommentar unterschlägt dies, eine bessere Anreizsetzung zur besseren Haushaltsführung der Länder, ev. auch mit Haftungsregeln für korrupte und verschwenderische Politiker wäre da auch für die Berliner Bürger sinnvoll.

  • L
    laune

    Sehr geehrter Herr Reeh,

     

    wieviel ihres Vermögens bzw ihres Einkommens haben Sie z. B. an Hilfsbedürftige in Griechenland gegeben? Haben Sie Menschen in den Ländern, die am stärksten betroffen sind, den finanziell unter die Arme gegriffen, ich meine Sie persönlich?

  • A
    Arne

    Der Vergleich Griechenland-Berlin ist lächerlich. Jeder Berliner hat vom Volkseinkommen her gesehen durchschnittlich ca. einen Tausender mehr als jeder Niedersachse oder Pfläzer in der Taschen, sogar 3000 € jährlich mehr als jeder Schleswig-Holsteiner, von den neuen Bundesländern gar nicht zu reden.

    Wenn Berlin ein internes Verteilungsproblem hat, dann muss es dies selber lösen. Von der Wirtschaftskraft können die Einwohner, s.o., durchaus mithalten mit anderen Bundesländern. Wer sich Finanzsenatoren und Bezirksbürgermeister wie Sarazin und Buschkowsky leistet, der muss sich dann auch nicht wundern, dass er pleite geht. Ich kann mich auch nicht entsinnen, dass Merkel von Berlin verlangt, alle Beamten zu entlassen, die Renten und Pensionen zu kürzen und in Berlin mittlerweile Zahlungsknappheit bei der Ausgabe von Arzneimitteln besteht wie in Griechenland. Selbst auf eine deutlich erhöhte Suizidrate unter den Berlinern wartet der Rest der BRD noch vergeblich.

  • S
    Sven

    Der Osten leidet vor allem an 40 Jahren linker Regierung durch die SED, das Ruhrgebiet leidet vor allem an vielen Jahrzehnten linker Politik der SPD! Das ist unübersehbare Tatsache! Der ganz überwiegend und über viele Jahrzehnte hinweg links regierte Osten und Norden lässt sich vom (ganz überwiegend) konservativ regierten Süden aushalten.

    Beim Länderfinanzausgleich geht es auch um die Folgen wirtschaftlich und fiskalische schlechter Politik! Sollen wir Bayern weiterhin zahlen, damit sich Länder wie NRW oder Berlin dieses linke Pack als Regierung leisten können?

  • A
    Allende

    Das ganze Jahr über wird der Nationalstaat als obsoletes Konstrukt in der TAZ verunglimpft. Wer keinen Deut auf den Nationalstaat und den deutschen im Spezillen gibt, braucht jetzt an dieser Stelle keine deutsche Solidarität herbeischreiben. Als Baden-Württembger empfinde ich persönlich wesentlich mehr Solidarität mit Esten und Polen, die bei uns im Land unsere Alten pflegen und in ihrer Heimat genau dafür fehlen. Hannoveraner, Düsseldorfer und Hamburger Schnösel brauchen unsere Kohle nicht - Berliner Jammerlappen haben diese nach 20 Jahren Misswirtschaft und zig verschwendeten Transfermilliarden schlicht nicht mehr verdient.