Kommentar Länderfinanzausgleich: Das bayerische Ressentiment

Gewinnt die Klage der Geberländer, gewinnt der Egoismus der Besserverdienenden. Das innerdeutsche Solidarmodell wäre dann, wie das europäische, Vergangenheit.

Berlin gilt mittlerweile als das Griechenland Deutschlands: eine Stadt, die nichts auf die Reihe bekommt, riesige Schuldenberge anhäuft und vom Geld der anderen lebt, regiert von einem sorglosen Partybürgermeister. Bayern und Hessen machen sich dieses Ressentiment jetzt bei ihrer Klage gegen den Länderfinanzausgleich zunutze.

„Diejenigen, die besonders hart arbeiten, erfolgreich wirtschaften und noch sparen, werden bestraft“, argumentiert Bayerns Finanzminister Markus Söder. Heißt übersetzt: Die fleißigen Bayern und Hessen sollen mehr vom erwirtschafteten Geld behalten dürfen, die Faulpelze in anderen Bundesländern nicht in der Hängematte liegen.

Das ist, vorsichtig formuliert, eine eigenartige Sicht der wirtschaftlichen Situation der Nord- und Ostbundesländer. Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Bremen leiden immer noch unter dem Strukturwandel nach der Schließung von Zechen und Werften, der Osten unter den Folgen von Teilung und deutscher Einheit. Ein Patentrezept dagegen hat niemand.

Berlin, das die umfangreichsten Mittel aus dem Mittel aus dem Finanzausgleich erhält, hätte einen guten Teil seines wirtschaftlichen Abstiegs und des Schuldenbergs wohl vermeiden können, hätte die Bundesregierung nicht im Vertrauen auf blühende Landschaften ihre Zuschüsse nach 1990 zu schnell zurückgefahren.

Natürlich lässt sich über Details im jetzigen Länderfinanzausgleich debattieren, etwa über die finanzielle Bevorzugung von Stadtstaaten gegenüber Kommunen. Aber die Klage von Bayern und Hessen geht darüber hinaus: Hat sie Erfolg, wird die Besserstellung der südlichen Bundesländer zementiert. Mehr Geld etwa für Münchner Theater, Opern, Universitäten und Olympiabewerbungen würden den Standortfaktor einer ohnehin reichen Region weiter stärken. Den Egoismus der Besserverdienenden, die die Bundesregierung in der Eurokrise vorgemacht hat, holen Bayern und Hessen nun auf innerdeutscher Ebene nach.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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