Kampfsport: Nazis lernen „sanften“ Angriff
Im mecklenburg-vorpommerischen Lübtheen bietet ein Verein einen ganz besonderen Kampfsportkurs an: das Nervendruckseminar - in Räumen der rechtsextremen NPD.
HAMBURG taz | Gemeinsames Singen, Vorträge von Gastrednern, Skat und Plattdeutschabende. Im „Kulturraum Lübtheen“ bietet die NPD ein breites Programm an. Am 10. März wird in dem ehemaligen „Hotel Stadt Hamburg“ der mecklenburg-vorpommerischen Kleinstadt eine ganz besondere Sportschulung angeboten: ein Nervendruckseminar.
Kenntnisse über Nervendruckpunkte werden in der medizinischen Diagnostik und therapeutischen Medizin in China seit Jahrhunderten angewendet, aber auch im Kampfsport und bei der Selbstverteidigung genutzt. In vier Stunden dürfen die Kursteilnehmer die negative Stimulation üben: einen platzierten Schlag oder Druck. Ein solcher Angriff kann ganz ohne sichtbare Wunden zu starken Schmerzen, Lähmungen und gar zur Bewusstlosigkeit führen. Für Ordnungskräfte der NPD anscheinend eine interessante Technik. Sie fallen jedenfalls öfter durch Übergriffe auf Gegendemonstranten oder Journalisten auf.
Am „Kulturraum“ hängen viele Termine sichtbar aus. Auf wöchentliches Selbstverteidigungstraining und Kraftsport wird hingewiesen. Das überrascht Rudolf Bochert, Sportpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Präsidiumsmitglied beim Landessportbund Mecklenburg-Vorpommern (LSB), nicht: „Die NPD versucht auch über den Sport eine gesellschaftliche Verankerung zu erreichen.“ Auf das Nervendruckseminar wird aber nicht hingewiesen. Andreas Theißen, Wahlkreisbüromitarbeiter des NPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Udo Pastörs und lange für die Ordnungskräfte zuständig, hatte aber auf Facebook geschrieben, wer wolle, könne sich für ein geplantes Seminar „Nervendruck-Technik“ anmelden.
„Die NPD arbeitet strategisch und klug“, sagt Dieter Karczewski vom der Bürgerinitiative „Wir für Lübtheen“, der lange als Vorsitzender des Sportvereins Concordia den rechten Verankerungsbemühungen entgegenwirkte.
Das Nervendruckseminar wird auch nicht offiziell von der NPD angeboten, sondern von einem neuen Verein: die Sportfreunde Griese Gegend e.V. Dass sie die Räume der NPD nutzen, offenbart jedoch die Nähe. Beim Amtsgericht Ludwigslust hat der Verein um den Vorsitzenden Ronny R. den Antrag auf Eintragung gestellt.
Ein Antrag zur Aufnahme beim Kreissportbund soll ebenfalls vorliegen, heißt es beim LSB. „Wir überprüfen den Hintergrund“, sagt Geschäftsführer Torsten Haverland. Die Satzung ermögliche eine Nicht-Aufnahme wegen rechtsextremen Tendenzen.
Leser*innenkommentare
Johnny
Gast
> Sie fallen jedenfalls öfter durch Übergriffe auf
> Gegendemonstranten oder Journalisten auf.
Liebe taz, da muss man etwas genauer hinschauen. Die "Gegendemonstranten" sind ebenso gewalttätig wie die NPD-Spinner und lassen das ja auch oft genug an Geschäften und der Polizei aus, wenn sie nicht an die Nazis gelangen können.
Und von Journalisten zu sprechen ist da auch so eine Sache: wenn gerade Fotografen aus dem linksradikalen Milieu sich unter den Schutz der Presse stellen wollen, um Gesichter für ihre Gewaltgruppen zu fotografieren, unterminiert das alle Ideen von Presse und Journalismus. Dagegen sollten sich die legitimen Journalisten wehren und die Leute rauswerfen. Man kann nicht zuschlagen und dann, wenn sich gewehrt wird, sagen "oh, nein, ich bin Journalist, das darfst Du nicht". Vorher entscheiden bitte ob man unparteiisch dokumentiert oder nicht.