Prozess um Futtermittel-Skandal: Skandal vor Gericht
Erstmals wird zwei Beschuldigten im Futtermittel-Skandal der Prozess gemacht. Sie sollen ihren Kunden mögliche Belastung verschwiegen haben
HAMBURG taz | Gut zwei Jahre nach dem Skandal um Dioxin in Futtermitteln wurde am Mittwoch in Niedersachsen der erste Prozess gegen zwei Beschuldigte eröffnet. Seine Verteidigungsstrategie sei einfach, diktiert Rechtsanwalt Frank Roeser schon vor Prozessbeginn am Amtsgericht in Vechta in die Blöcke der wartenden Journalisten: „Sekt oder Selters“, sagt er. Er will einen Freispruch für seinen Mandanten Klaus Tepe.
Tepe und der Mitangeklagte Bernard Brok waren geschäftsführende Vorstände des Futtermittelherstellers Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft Damme (LBD), der in den Dioxin-Skandal um den Zulieferer Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein verwickelt war. Den beiden ehemaligen Vorständen werden Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht vorgeworfen. Es ist das erste Verfahren in Niedersachsen nach dem Dioxin-Skandal.
Tepe und Brok wird vorgeworfen, ihren Kunden Anfang 2011 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt zu haben, obwohl sie schon von der Dioxin-Belastung im Futtermittel gewusst haben. 4.500 landwirtschaftliche Betrieb mussten deshalb gesperrt, Tausende Hühner und Schweine getötet werden.
Der Prozess soll klären, wer dafür verantwortlich war, dass möglicherweise belastetes Futtermittel weiterverkauft wurde. Aber um Verantwortung geht es dann doch erst mal nicht, denn schon am ersten Prozesstag verzögert sich die Verhandlung. Bis weit nach Mittag wird nur ein Zeuge gehört.
Tepes Verteidiger geht es zunächst um die Auswirkungen der Beschuldigungen auf seinen Mandanten. Durch die Vorverurteilung sei Tepe die bürgerliche Existenz genommen worden. Er sei stigmatisiert worden, die Nachbarn hätten ihn nicht mehr gegrüßt. Dabei habe sein Mandant mit einem möglicherweise wissentlichen Weiterverkauf der Futtermittel nichts zu tun. Tepe hat sich bereits mehrfach in der Presse geäußert und seine Unschuld beteuert. Und sein Anwalt legt noch einen drauf und spricht von einer „Geiz ist geil“-Mentalität der Verbraucher, davon, dass Benzin immer teurer werde und Milch stets günstig bleibe und dass man lieber das Übel an der Wurzel packen sollte.
Roeser verteilt seine „Sekt oder Selters“-Verteidigungsstrategie auf mehrere Säulen. Tepe sei nicht zuständig gewesen, weil er ein rein kaufmännischer Geschäftsführer sei „und mit dem Ein- und Verkauf von Futtermittelrohkomponenten rein gar nichts zu tun hat.“
Tepe soll gemeinsam mit dem damaligen damaligen Geschäftsführer Brok am 6. Januar 2011 ein Unbedenklichkeitsschreiben, in dem den Kunden mitgeteilt wurde, dass der Dioxin-Grenzwert nicht überschritten wurde, unterschrieben haben. „Ich habe gegengezeichnet“, bestätigt Tepe zunächst. Das sei ein ganz normaler Vorgang einer Doppelspitze. Aber er habe intern immer wieder nachgefragt, ob alle Werte im grünen Bereich lägen. Doch irgendwann im Laufe des Prozesstages revidiert Roeser die Aussage seines Mandanten. Man wisse gar nicht, ob Tepe wirklich gegengezeichnet habe. Es lässt sich am ersten Prozesstag nicht klären, ob Tepe unterschrieben hat. Was er wirklich von der möglichen Dioxin-Belastung wusste, ebenfalls nicht.
In einem weiteren Punkt will Roeser nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen den 20 mit Dioxin belasteten Eiern, die in einem Legehennenbetrieb gefunden wurden, und dem Futtermittel der LBD kein zwangsläufiger Zusammenhang bestehe. „Die Dioxin-Belastung könnte beispielsweise auch durch den Boden hervorgerufen worden sein, der zuvor mit Altöl oder verbranntem Kunststoff kontaminiert wurde“, so Roeser. Dem widerspricht der Zeuge Jörg Lay, Lebensmittelchemiker und Beamter für Futtelmittelüberwachung im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). „Die Fette von Harles und Jentzsch weisen ein anderes, vorher nicht bekanntes Kombinär-Muster der Dioxine auf“, sagt er. Deshalb lasse sich ein eindeutiger Kausalzusammenhang zwischen den Fetten von Zulieferer Harles und Jentsch, dem Futtermittel der LBD sowie den Dioxinen in den Eiern feststellen. Außerdem werden die Hühner auf dem entsprechenden Hof in Käfighaltung gehalten. „Damit können wir ausschließen, dass es andere Kontaminationswege gegeben hat“, so Lay.
Dennoch bleibt die Vertreidungsstrategie klar: Die Anwälte von Tepe und Brok wollen den Nachweis anfechten, dass die Dioxin-Belastung der Eier tatsächlich durch das Futtermittel der LBD zustande gekommen ist. „Ich habe Hinweise, dass es fehlerhafte Probeentnahmen gab“, sagt Dohmann in einer Verhandlungspause. Und es gehe auch um Beweismittelunterdrückung bei der Laves. Dohmann gibt sich dann auch zuversichtlich, dass es nicht gelingen wird, die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zu erhärten.
Angesetzt ist mindestens ein zweiter Prozesstag am kommenden Montag. Ob es dann bereits zu einem Urteil kommen wird, steht noch nicht fest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!