Die Wahrheit: Finger, Wunden, Blut

Neue Erkenntnisse aus der Leckforschung: Vor einigen Jahrhhunderten war Lecken für den Menschen noch so bedeutsam wie Sehen, heute wird es tabuisiert.

Sie ist nicht so entfremdet wie der Mensch: Südafrikanische Leckgiraffe im Edward-van-Schleck-Nationalpark. Bild: dpa

Augapfellecken, der sogenannte Okularverkehr, ist ein neuer Trend aus und in Japan. Was im Land der aufgehenden Sonne als erotische Vorstufe des Sexualverkehrs verstanden wird, stößt hierzulande vor allem auf Ablehnung. Doch was hat es mit dem Lecken eigentlich auf sich? Die erstaunliche Erkenntnis: Die Geschichte des Leckens ist fast genauso alt wie die Menschheit selbst.

„Lecken ist ein jahrhundertealtes Kulturgut“, erklärt Leckexperte und Geschichtsprofessor Edwin von Buddenhagen von der Technischen Universität Bielefeld. Es habe Zeiten gegeben, da wurde alles und jeder geleckt, betont von Buddenhagen. Noch vor wenigen Jahrhunderten war das Lecken für den Menschen so bedeutsam wie das Riechen, Sehen, Hören und Fühlen. Zum Beweis zitiert er den Begründer des Buddhismus, Siddhartha Gautama: „Die edelste Art Erkenntnis zu gewinnen, ist die durch Nachdenken und Überleckung“, soll dieser einmal, unter dem Baum der meditativen Erkenntnis sitzend, zu seinen Anhängern gesagt haben.

„Rein technisch betrachtet ist Lecken ein recht unspektakulärer Vorgang. Das von einer spezialisierten Schleimhaut überzogene Muskelorgan Zunge kommt dabei außerhalb der Mundhöhle zum horizontal oder vertikal geführten Einsatz“, erläutert von Buddenhagen das Lecken in der Fachsprache. Die meisten Menschen seien vertikale Frontallecker, der mit 7 Prozent verschwindend geringe Rest lecke horizontal oder diagonal.

Und dann wird von Buddenhagen auf einmal ernst: „Für die Mehrheit ist der geführte, periphere Zungeneinsatz heutzutage etwas, das nicht außerhalb von Eisdielen stattfinden darf“, bedauert er mit einer für einen Wissenschaftler erstaunlichen Emphase. Allerhöchstens sei es noch ein im Sexuellen gern praktizierter, aber selten offen thematisierter Akt, fügt der bei seinen Studenten beliebte und viel beleckte Professor hinzu.

Gerade in den ersten Semestern komme es ihm als Leck-Lehrer und -Praktiker deshalb darauf an, dass der Nachwuchs so viel wie möglich selbst lecke. Nur so könne man die Schönheit und die Feinheiten und vielseitigen Anwendungsgebiete des Leckens an der eigenen Zungenoberfläche erfahren. „Lecken und lecken lassen“, lautet das Motto.

„Lecken hat derzeit zwar kein Standing in der breiten Masse, aber das kommt wieder“, ist sich der Professor sicher. Über seinem Schreibtisch hängt das obligatorische Bild von Albert Einstein, der mit ausgestreckter Zunge in die Kamera blickt. „Ein Lecker vor dem Herrn“, sei Einstein gewesen, sagt von Buddenhagen. Die Relativitätstheorie sei ihm gekommen, als er sein Denkorgan entspannt und seinen Leckmuskel angespannt habe. Offen gesprochen habe Einstein darüber jedoch nie, aus Schamgefühl.

„Der Niedergang des Leckens begann mit der Industrialisierung und zunehmenden Technisierung der Welt“, so von Buddenhagen, der aus einer mütterlichen Seitenlinie der von Berlichingens stammt und damit das Lecken quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat.

Nicht zuletzt das rigide Vorgehen gegen Lecker durch die technokratischen Nationalsozialisten sorgte dafür, dass Lecken in Deutschland nach und nach aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand. „Das Lecken, Schlabbern und Zuzeln ist eine widerwärtige, der deutschen Rasse nicht zuträgliche Art, die es restlos auszurotten gilt“, soll der nationalsozialistische Chefideologe Alfred Rosenberg schon 1923 in seinen gerade erst wiederentdeckten Tagebüchern geschrieben haben.

Auch in der Nachkriegszeit habe es weiterhin eine massive Leckunterdrückung von oben gegeben, wie Bilder einer Anti-Leck-Propaganda-Aktion der fünfziger Jahre zeigen: Menschen bleiben mit ihren Zungen im Winter an zugefrorenen Straßenlaternen hängen. Ein Bild, das abschrecken sollte und kein gutes Haar am Lecken ließ.

Mit solchen Sicht- und Denkweisen müsse nun Schluss sein, fordert von Buddenhagen. „Wir wollen das Lecken wieder zu dem machen, was es einmal war – ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens“, betont er. Im Juli erscheint deshalb sein erstes Buch mit dem Titel „Lecken im Wandel der Zeit“. Darin beschreibt der Lingualforscher, wie nach und nach aus einem freien Land der Lecker und Lutscher eine verkrampfte Nation der Dichter und Denker wurde.

Nicht zuletzt dank der vielseitigen Möglichkeiten des Internets formiert sich eine immer stärker werdende, weltweit agierende Gruppe von Leck-Lovern. Die Stars der Szene heißen „Leck Beauty“ und „Lecker-Lee“. Ihre offensiven und unzensierten Leckvideos auf Youleck.de wurden bereits millionenfach geklickt und machen anderen, noch anonymen Leckern Hoffnung. Gerade in stark christlich oder muslimisch geprägten Gebieten beten betroffene Lecker seit langem für eine tolerantere und weniger leckrassistische Gesellschaft. Auch politisch darf man diese Gruppierung nicht länger unterschätzen, glaubt von Buddenhagen. Bei der bevorstehenden Bundestagswahl könnten die Lecker das sprichwörtliche Zünglein an der Wage sein.

Das Lecken an und für sich sei, so versichert Edwin von Buddenhagen fest, garantiert nicht für den Arsch.

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