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Archiv-Artikel

ETA-Helden werden zu „Verrätern“

Die Basken-Organisation hat sechs frühere Führer verstoßen, weil sie den bewaffneten Kampf kritisierten. Gestern kam es zu Explosionen, die der ETA zugeschrieben wurden

MADRID taz ■ Der Weg vom Helden zum Verräter ist kurz: Die neue Ausgabe von Zutabe, der internen Zeitschrift der baskischen Separatistengruppe ETA, verkündet den Ausschluss von sechs ihrer Führer, unter ihnen Francisco Múgica Garmendia „Pakito“, der die ETA von 1987 bis zu seiner Verhaftung 1992 leitete. Das Vergehen der sechs, die zurzeit Haftstrafen verbüßen: Sie hatten vor einem Jahr von der derzeitigen ETA-Führung ein Ende des bewaffneten Kampfes gefordert.

„Man kann keinen bewaffneten Kampf führen, wenn man durch die Repression völlig verwundbar ist. Unsere Strategie wurde vom Feind überwunden“, heißt es in einem Brief, der laut Polizei bei mindestens der Hälfte der über 500 ETA-Gefangenen auf Sympathie stoßen soll. Er war die Reaktion auf viele herbe Verluste. Mehrmals wurde die ETA-Führung ausgehoben, Organisationen aus ihrem Umfeld wurden verboten. „Wir sind völlig verwundbar und unfähig zu reagieren“, lautete die Kritik der sechs. „Die Regierung hat ernsthafte Hoffnung, dass die ETA ein Ende der Gewalt erklären wird“, bekräftigte Regierungssprecherin María Teresa Fernández de la Vega, ohne jedoch zu sagen, worauf sich diese Hoffnung stützt.

Auch ein Teil der spanischen Presse sieht im harten Umgang mit internen Kritikern nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Nach deren Meinung versuche die ETA, vor einem kommenden Dialog ihre Reihen zu schließen. So war auch kurz vor dem letzten Waffenstillstand im September 1998 ein Führer, der ein Ende des bewaffneten Kampfes forderte, ausgeschlossen worden.

Doch nicht alle sind optimistisch. „Die ETA zeigt wieder einmal, dass sie nicht die geringste Lust hat, die Waffen niederzulegen“, kommentiert der Vorsitzende der Vereinigung der Opfer des Terrorismus, Francisco José Alcáraz, den Ausschluss. Im Gegenteil, wer von der Möglichkeit eines Dialoges über das Ende der ETA rede, gehe „der kriminellen Organisation in die Falle“.

Seit der politische Arm der ETA, die Partei Batasuna, vor einem Jahr die Bereitschaft zu einer politischen Lösung des Baskenkonfliktes bekräftigte, reißen die Spekulationen über einen einen Waffenstillstand nicht ab. Die sozialistische Regierung reagierte bereits im Mai mit einer Resolution, die ihre Dialogbereitschaft bekundete.

Der wiederholten Aufforderung, zum Beweis des guten Willens die Waffen ruhen zu lassen, kam die ETA nicht nach. Im Gegenteil – gestern Nachmittag hat die ETA alle Spekulationen konterkariert: In einem Anruf, den die Polizei der ETA zuschrieb, wurde vor Bomben gewarnt. Kurz darauf detonierten auf der Madrider Autobahn mehrere kleine Sprengsätze. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Zuvor wurde der Flughafen von Santander wegen einer Bombendrohung evakuiert.

REINER WANDLER