Nazis müssen draußen bleiben

PROTEST In Kirchweyhe gedenken BürgerInnen des vor einer Woche getöteten Streitschlichters Daniel S. – und wehren sich erfolgreich gegen eine Vereinnahmung ihrer Trauer durch Neonazis

Abends demonstrierten 60 Rechtsextreme in Verden gegen das „Trauerverbot“

Ihre Kundgebung durfte die NPD gestern nicht abhalten im niedersächsischen Kirchweyhe: Es blieb beim Verbot, das die Gemeinde am Freitagnachmittag ausgesprochen hatte. Stattdessen versammelten sich etwa 300 Menschen dort, wo die Rechtsextremen sich sammeln wollten. Die Neonazis hatten im Vorfeld versucht, aus dem Migrationshintergrund des Hauptverdächtigen Cihan A. politisches Kapital zu schlagen. A. wird zur Last gelegt, Daniel S. am Morgen des 10. März erhebliche Kopfverletzungen zugefügt zu haben, denen er Tage später erlag.

Am Samstag waren bereits 1.500 Trauernde am Tatort zusammengekommen. Mit Blumen und Kerzen hatten sie des getöteten Daniel S. gedacht – und gleichzeitig gegen eine rechte Instrumentalisierung des Todesfalls protestiert. Denn auch am Samstag hatten die Neonazis sich in Kirchweyhe versammeln wollen – auch das wurde verboten.

Abends dann trafen sich 60 Rechtsextreme in Verden, 30 Kilometer entfernt, um gegen das „Trauerverbot in Kirchweyhe“ zu demonstrieren, wie der Neonazianführer Dieter Riefling twitterte. Die im Tross herrschende Aggressivität bewegte die Polizei-Einsatzleitung dazu, den Marsch zu verkürzen. Zwei Neonazis griffen Polizeibeamte an, schlugen mit einem Fackelstab zu. Gegen sie laufen Strafverfahren.

Auch ein paar Stunden zuvor in Kirchweyhe waren nicht alle Neonazis auf die beanspruchte Trauerstimmung geeicht: Zwei kamen in Gewahrsam, nachdem sie sich der Polizei widersetzt hatten. Insgesamt sprach die Polizei 89 Platzverweise in Kirchweyhe aus. Einige Rechte schafften es am Samstag trotz der Kontrollen auf den Bahnhofsplatz, konnten das Gedenken jedoch nicht stören.

„Wir sind stolz darauf, dass Weyhe bunt ist“, sagte Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD) am Samstag zu den Versammelten. Die Tat vom Wochenende sei „nicht zu akzeptieren“. Ein Urteil müsse unabhängig von der etwaigen Herkunft des Täter gefällt werden. Der Familie des Opfers, einer alleinerziehenden Mutter sowie Geschwistern, sagte er die Hilfe der Gemeinde zu.

Holger Tietz, Pastor und Sprecher des Runden Tisches gegen Rechts und für Integration nannte es „abscheulich“, dass Daniel S. im Internet fälschlicherweise als Nazi beschimpft worden sei. Ebenso schlimm sei die Vereinnahmung von rechts.

Ein älterer Türke sagte der taz, er wohne seit 30 Jahren im Ort. Fremdenfeindlichkeit aber habe er auch nach dem schlimmen Vorfall nicht erfahren. „Wir alle im Dorf können die Brutalität kaum fassen.“  JPB/AS