Musikindustrie: „Wir suchen Rockstar-Unternehmer“

Mischa Wetzel steckt Risikokapital in junge Berliner Musik-Start-ups. Ein Gespräch, wie man mit Musik Geld verdienen kann.

Auch Streamingplattformen wie Spotify oder YouTube sind heute richtige Umsatzbringer. Bild: DPA

taz: Herr Wetzel, es sind wieder mal Berlin Music Days. Ziehen Sie jobbedingt durch die Clubs?

Mischa Wetzel: Nein. Die für mich interessante Zielgruppe, die Start-ups, treffe ich bei anderen Veranstaltungen wie der Berlin Music Week oder der Langen Nacht der Start-ups.

Sie interessiert nur, wie man mit Musik Geld machen kann?

Nicht privat, aber was meinen Beruf betrifft, ja. Ich schaue mich mit meinem Team nach pfiffigen Ideen um, wie man mit Musik heute Geld verdienen kann. Wir suchen nicht den nächsten Superstar, wir suchen den neuen Rockstar-Unternehmer.

Sie sind „Venture Capitalist“ – das klingt wie „Heuschrecke“.

Das ist ein häufiges Missverständnis. Venture-Capital-Firmen werden als Unterbereich von Private Equity Fonds begriffen und verdächtigt, Unternehmen unter ihre Kontrolle zu bringen, um Bares daraus zu ziehen. Aber wir machen genau das Gegenteil: Wir stecken Geld in die Unternehmen, um ihnen Wachstum zu ermöglichen. Die operative Kontrolle behalten die Unternehmer.

41, Diplom-Psychologe, kam 1994 aus Marburg nach Berlin. Hier betrieb er verschiedene Labels. Heute ist er bei der IBB Beteiligungsgesellschaft tätig, einer Tochter der Investitionsbank Berlin (IBB). (leu)

Die IBB Beteiligungsgesellschaft ist ein Venture Capitalist der öffentlichen Hand. Aber renditefixiert sind Sie wie die Privatkonkurrenz, oder?

Wir müssen dieselben Maßstäbe anlegen wie die Kollegen aus der Privatwirtschaft, mit denen wir Start-ups auch immer kofinanzieren. Wir wollen das uns anvertraute Geld vermehren und nicht in unsinnige Dinge stecken.

Berlin hat 2008 als erstes Bundesland einen Fonds speziell für die Kreativwirtschaft aufgestellt. Wie kam es dazu?

Es gab ein politisches Interesse, etwas für die hier so wichtige Kreativbranche zu tun. Also auch stark wachsende Unternehmen zu unterstützen, die internationalen Erfolg haben können.

Was ist in der Musikbranche derzeit interessant für Sie?

Bis 2008 lag der Fokus noch auf Musiktechnologie, -software und -plattformen. Seitdem können wir auch in Themen investieren, bei denen das Alleinstellungsmerkmal nicht Technologie ist, sondern Content, also Inhalt. Ein Beispiel ist „!K7 Records“.

Was interessiert Sie an !K7?

Es zählt zu den Labels, die aufgrund der Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten bei der Kommerzialisierung ihres Rechtestocks haben, etwa bei der Verwertung für Streamingdienste.

Kein unkompliziertes Geschäftsfeld.

Ja, vor fünf, sechs Jahren war man noch sehr vorsichtig mit Investitionen in diesem Bereich. Man sah, dass die Musikindustrie mit dem Umbruch durch die Digitalisierung nicht fertig wurde. Die Labels saßen auf ihren Rechten und wollten nichts hergeben. Aber die Musikrechte sind Grundlage jedes Geschäftsmodells.

Die Branche musste zum Umdenken gezwungen werden?

Umbruchsituationen sind Phasen, in denen wir sehr aufmerksam hinschauen. Das sind die Momente, in denen sich Chancen für neue Modelle ergeben. In den letzten Jahren haben wir erlebt, wie völlig neue Player die tradierte Industrie aufmischen.

Die Hängepartie ist vorbei?

Ja, ich sehe das an !K7. Da ist das Digitalgeschäft inzwischen der Hauptreiber der Umsatzströme. Auch Streamingplattformen wie Spotify oder YouTube sind heute richtige Umsatzbringer. Das hat nach meiner Beobachtung ein Umdenken in der Musikbranche bewirkt. Ich spüre einen neuen Optimismus. Mit digitalen Produkten lässt sich Geld verdienen!

Wovon Sie zuletzt gut profitiert haben. Zum Beispiel bei der Firma Aupeo, die eine Art Internetradio vor allem fürs Auto entwickelt hat.

Ja. Bei Aupeo sind wir 2008 eingestiegen. 2013 konnten wir die Firma erfolgreich an Panasonic verkaufen.

Wie können Start-ups eigentlich Ihr Interesse wecken?

Man spricht uns einfach an oder umgekehrt. Wenn es spannend klingt, laden wir das Team zu einer Präsentation ein. Von unseren 17 Mitarbeitern kümmern sich drei speziell um Musik-Start-ups.

Und wie schätzt man deren Aussichten ein?

Man braucht kein Spezialwissen, aber Branchenverständnis. Das gilt besonders für die Musikindustrie mit ihren komplizierten Rechtefragen. Kaum eine Bank versteht, was da eigentlich an Werten außerhalb der Bilanz vorhanden ist. Das muss man einschätzen können. Ich komme selbst aus der Musik- und Internetwirtschaft und war zehn Jahre lang aktiv Unternehmer.

Haben Sie schon Firmen abgelehnt, die sich hinterher toll entwickelt haben?

Klar, das bleibt nicht aus in unserem Geschäft.

Höchstwahrscheinlich gibt es auch eine Menge Traumtänzer unter den Start-up-Unternehmern.

In den letzten Jahren ging der Trend klar zu mehr Qualität. Aber es gibt immer mal wieder Kandidaten, bei denen man nach den ersten zehn Sekunden weiß, dass man das Gespräch nicht fortführen muss.

Wie sehen die Musiker Sie eigentlich? Als Typen, der nur an ihrer Kunst verdienen will?

Wenn sie das denken, sagen sie es zumindest nicht laut. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass mein Job nicht die Künstlerförderung ist. Vermutlich stehe ich in den Augen mancher Musiker genauso auf der Kommerzseite wie die Majorlabels.

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