Begnadigung für Kremlkritiker: Chodorkowski soll freikommen

Kremlchef Putin hat eine Begnadigung seines seit zehn Jahren inhaftierten Gegners Chodorkowski angekündigt. Er werde ein Gnadengesuch unterschreiben.

Michail Chodorkowski: Putin will seinen Kritiker begnadigen. Bild: dpa

MOSKAU afp/dpa/rtr/ap | Russlands Präsident Wladimir Putin hat Medienberichten zufolge angekündigt, den Kreml-Kritiker und früheren Oligarchen Michail Chodorkowski zu begnadigen. Putin äußerte sich nach seiner großen Pressekonferenz. „Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht. Das ist eine ordentliche Zeit“, sagte Putin vor Kameras des Staatsfernsehens.

Demnach hat der seit einem Jahrzehnt inhaftierte Chodorkowski erstmals unter Verweis auf die Erkrankung seiner Mutter um Begnadigung gebeten. Er werde das Gnadengesuch unterschreiben, sagte Putin der russischen Staatsagentur Itar-Tass zufolge.

Der prominenteste Gefangene Russlands war 2003 festgenommen worden, nachdem er Putin öffentlich kritisiert hatte. Nach zwei international umstrittenen Urteilen unter anderem wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung sollte Chodorkowski im August 2014 aus der Haft kommen.

Die Verurteilung Chodorkowskis war nach Ansicht vieler Putin-Kritiker politisch motiviert. Er hatte Ambitionen auf das Präsidentenamt gezeigt und Putin herausgefordert.

Ölkonzern Jukos zerschlagen

Am 25. Oktober 2003 stürmten vermummte Einsatzkräfte auf einem sibirischen Flughafen den Privatjet des Ölmagnaten Chodorkowski. Der offizielle Vorwurf: Steuerhinterziehung. Mit Chodorkowskis Verurteilung und der Zerschlagung seines Ölkonzerns Jukos ließ Putin ein Exempel statuieren. Zugleich festigte er seine Macht und verstärkte die Kontrolle des Staates über den Energiesektor. Die lukrativsten Jukos-Vermögenswerte fielen an den staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft.

Chodorkowski wurde im Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt. In einem zweiten Verfahren sprach ein Gericht den ehemaligen Jukos-Chef sowie seinen Geschäftspartner Platon Lebedew 2010 wegen Unterschlagung schuldig. Viele sahen in dem Urteil ein Instrument des Kremls, Chodorkowski so lange außer Gefecht zu setzen, bis Putin ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt sein würde.

Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung belief sich das Vermögen des damals 40-jährigen Chodorkowski auf umgerechnet etwa elf Milliarden Euro, was ihn zum reichsten Mann Russlands machte. Das wäre er vielleicht heute noch, hätte er Putin nicht offen herausgefordert: Während dessen erster Amtszeit als Präsident finanzierte Chodorkowski nicht nur Oppositionsparteien, ihm wurde auch nachgesagt, selbst politische Ambitionen zu hegen.

Damit brach Chodorkowski eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen Kreml und Oligarchen: Die Regierung kümmert sich nicht um die teils fragwürdigen Umstände der Privatisierungen, die die Wirtschaftsmagnaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unglaublich reich gemacht hatten. Im Gegenzug halten sich diese aus der Politik heraus.

Obwohl in den Monaten vor Chodorkowskis Verhaftung der Druck auf den Jukos-Chef zunahm, waren die Ereignisse des 25. Oktober 2003 doch ein Schock für ihn und viele andere. Auf die Frage, was er getan hätte, wenn er schon damals gewusst hätte, dass er die nächsten zehn Jahre im Gefängnis sitzt, antwortete Chodorkowski in diesem Jahr in einem Interview: „Ich fürchte, ich hätte mich erschossen.“

Amnestiegesetz beschlossen

Am Mittwoch hatte das russische Parlament ein Amnestiegesetz beschlossen. Demnach sollen auch die beiden inhaftierten Mitglieder der russischen Punk-Band „Pussy Riot“ vorzeitig freikommen. Putin sagte, das Amnestiegesetz gelte auch für Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, auch wenn ihre Tat beschämend gewesen sei.

Die Musikerinnen, die heute 24 und 25 Jahre alt sind, wurden wegen Rowdytum zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie hatten in einer Kirche ein Protestlied gegen Putin gesungen. Die Frauen sollten eigentlich im März freikommen. Von der Amnestie profitieren sie auch, weil sie Mütter kleiner Kinder sind.

Auch etwa 30 Greenpeace-Aktivisten, die nach einer Protestaktion gegen Ölbohrungen russischer Unternehmen in der Arktis festgenommen worden waren, fallen unter die Amnestie. Diese sei aber nicht speziell für sie erlassen worden, sagte Putin. Russland werde seine Ansprüche in der Arktis weiter nachdrücklich verteidigen. „Was passiert ist, muss eine Lehre sein und sollte hoffentlich dazu führen, dass wir mit Greenpeace positiv zusammenarbeiten werden“, sagte Putin.

Anlass für die Amnestie ist der 20. Jahrestag der russischen Verfassung. Experten sehen darin aber auch einen Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi Kritiker im Westen zu besänftigen.

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