Marodierende Vögel: Gans, Du hast den Raps gestohlen

Um zu verhindern, dass die Tiere ganze Ernten fressen, soll die Jagd auf sie ausgedehnt werden. Das alleine bringe gar nichts und sei sogar kontraproduktiv, findet der Nabu.

Sind schön anzusehen, können aber aus Sicht des Landwirts zur Plage werden: Nonnengänse auf der Durchreise. Bild: dpa

HAMBURG taz | Weil sie in Hamburg ganze Felder kahl fressen, sollen Grau- und Kanadagänse vermehrt gejagt werden dürfen. Der SPD-Senat will deshalb die Landesjagdverordnung ändern und wird dafür vom Naturschutzbund (Nabu) kritisiert: Mit der Jagd lasse sich der Gänsebestand und der Schaden für die Landwirtschaft nicht nachhaltig eindämmen, warnt der Nabu.

Der Umweltverband wundert sich, dass der Senat nicht ein Maßnahmenbündel auf den Weg bringt, das sich ein Arbeitskreis zur Bekämpfung der Plage ausgedacht hat. Die Änderung der Jagdverordnung sei bloß „eine Beruhigungspille für die Landwirtschaftslobby“ – und noch dazu eine mit schädlichen Nebenwirkungen.

Marodierende Gänsescharen plagen die Landwirte in den Vier- und Marschlanden im Bezirk Bergedorf schon seit Jahren. In einem Pilotprojekt hat die Landwirtschaftskammer untersuchen lassen, welcher Schaden entsteht, wenn sich Gänse auf einem Weizenfeld gütlich tun:

Nach einem Monat sei ein uneinholbarer Ernteverlust von 30 Prozent entstanden. Für den Bauern bedeute das 400 bis 470 Euro weniger an Einkommen pro Hektar. Wagen sich die Gänse ans Gemüse, wird die Sache entsprechend teurer. Das Problem ist auch in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein virulent (siehe Kasten).

Im Norden ist die Zahl der Gänse stark gewachsen. Die Länder sehen sich gezwungen zu handeln:

Niedersachsen arbeitet an einem Gänsejagdkonzept, das die Zugvögel besser lenken soll. Ziel einer neuen Landesjagdverordnung soll der Schutz besonders bedrohter Arten sein. Dazu gehöre es auch, die Gänsejagd in den Vogelschutzgebieten einzuschränken. Schon heute gibt es Ausgleichszahlungen für Landwirte.

Auch Schleswig-Holstein plant ein Gesamtkonzept. Dazu gehört es, die Rast und Nahrungsgebiete in den Naturschutzgebieten zu verbessern. Im Rahmen des Vertragsnaturschutzes dulden Bauern die Gänse auf ihren Feldern und werden dafür entschädigt. Manchmal stellt das Land den Bauern Ersatzflächen zur Verfügung.

Weil die Gänse nicht einfach abgeknallt werden sollen, hat sich in Hamburg ein Arbeitskreis unter Federführung der Landwirtschaftskammer und unter Beteiligung der Behörden sowie der Umweltverbände gegründet, um des Problems Herr zu werden. Zuvor hatte die Umweltbehörde bei dem Biologen Alexander Mitschke ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Mitschke regte an, den Vögeln Ausweichflächen anzubieten, Stoppelfelder lange brach liegen zu lassen, sodass sich die Gänse dort sammeln können und Brutinseln mit dem Land zu verbinden, sodass die Nester von Räubern erreicht werden können.

Der Arbeitskreis schlug dem Nabu zufolge vor, Ruhezonen für die Gänse einzurichten und die Schäden der Landwirte zu bezahlen. Brutinseln sollten zerstört, Fuchsattrappen aufgestellt und die Landesjagdverordnung geändert werden.

„Auf Betreiben der Landwirtschaftskammer und des Bauernverbands will die Wirtschaftsbehörde jetzt die Jagdzeiten per Verordnung ausdehnen, ohne aber die übrigen Maßnahmen des Gesamtkonzepts auf den Weg zu bringen“, kritisiert Christian Gerbich vom Nabu. Das lasse völlig außer Acht, dass nur das Zusammenwirken aller Vorschläge die Gänsepopulation regulieren könne.

Dass von dem Paket nur eine Verlängerung der Jagdzeit „zur Schadensabwehr“ übrig bleiben soll, ist nach Auffassung des Nabu kontraproduktiv. „Jeder Schuss führt dazu, dass gleich alle Gänse auffliegen“, sagt Gerbich. „Davon kriegen sie Hunger und fressen danach noch mehr als vorher.“

Würden Gänse getroffen, werde der Bestand von Gänsen aus anderen Gebieten rasch wieder aufgefüllt. Außerdem berge die Jagd das Risiko, dass andere gefährdete oder geschützte Arten abgeschossen würden, die sich schlecht von Grau- und Kanadagänsen unterscheiden ließen.

Auch der Bauernverband ist der Auffassung, dass nur eine Kombination von Instrumenten weiterhilft. „Wenn Sie nur einen Punkt rausnehmen, glaube ich nicht, dass man damit eine stark wachsende Population in den Griff bekommt“, sagt Ludger Rolling, Geschäftsführer des Bauernverbands. Das Maßnahmenpaket stehe aber auch nach wie vor im Raum.

Mit einer Änderung der Jagdzeitenverordnung sei es sicherlich nicht getan, räumt Susanne Meinecke, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde, ein. Andere Mittel seien jedoch aufwändiger. Um Gelege anstechen oder taube Eier unterschieben zu können, müsse etwa das Jagdgesetz geändert werden. Das sei nicht geplant. Für Anregungen, die in die Jagdverordnung einfließen könnten, sei die Wirtschaftsbehörde „immer offen“.

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