piwik no script img

Volunteers in SotschiDauerlächeln für die Firma

Die russische Bahn RzD hat für die Olympischen Spiele Hunderte von zusätzlichen Hilfskräften eingestellt. Die Mitarbeiter werden gut bezahlt.

Immer freundlich bleiben: Lilija Vilesova an ihrem Arbeitsplatz auf dem Bahnhof in Adler. Bild: Natalja Petrusenko

BERLIN taz | Ein Großprojekt wie Olympia braucht viele Heinzelmännchen. Doch woher kommen die vielen Freiwilligen? Alleine „Aeroexpress“, eine Tochterfirma der Russischen Eisenbahn (RzD), hat eigens für die Spiele Hunderte von Volunteers in Sotschi und Umgebung eingestellt. Die meisten von ihnen sind junge Frauen aus allen Teilen Russlands.

Lilija Vilesova ist eine von ihnen. Sie ist aus dem rund 2.700 Kilometer entfernten Jekaterinburg am Ural angereist, um vier Monate lang in Sotschi mit zu helfen. Eigentlich ist Vilesova studierte Kunsthistorikerin, jetzt arbeitet sie an der Kasse auf dem Bahnhof des Flughafens in Adler. In Sotschi verdient sie monatlich mehr als das Doppelte ihres üblichen Monatsgehalts, wie viel genau will sie aber nicht sagen. RzD übernimmt auch die Kosten für die Unterkunft der Volonteersvor Ort und für die An- und Abreise. Für viele Freiwillige der Russischen Eisenbahn ist das schnell verdientes Geld.

Als Lilija Vilesova vor drei Monaten nach Sotschi kam, war sie begeistert von den neuen modernen Bahnhöfen und den roten Zügen der Marke „Lastotschka“ (Schwälbchen). „Ich hatte gar nicht das Gefühl, in Russland zu sein“, erzählt die 31-Jährige. Moderne Züge seien in Russland noch keine Selbstverständlichkeit. „Wir Volunteers machen immer Witze, dass wir genauso wie die Schwalben unsere kalte Heimat verlassen haben, um in der wärmsten Stadt Russlands zu überwintern.“ In Sotschi erlebt die junge Frau, die eigentlich an Minustemperaturen gewöhnt ist, den wärmsten Winter ihres Lebens.

„Die meisten Besucher sprühen vor Euphorie, wenn sie in Sotschi landen“, erzählt Vilesova. Manche Fans steigen mitten in der Nacht mit einer russischen Flagge um die Schultern aus dem Flugzeug. „Einmal kam ein Mann an die Kasse und rief „Herzlichen Glückwunsch!“. Als ich fragte, aus welchem Anlass, antwortete er nur lächelnd: „Es gibt Regen, bald sprießen die Pilze.“

Ein Aushängeschild

Vilesova selbst sieht sich und die anderen Freiwilligen als Aushängeschild der Firma. „Wir sind die ersten, die die Emotionen der Passagiere zu spüren bekommen, seien es gute oder schlechte.“ Jeden Tag sitzt sie unablässig lächelnd am Schalter. Einmal wurde sie von einer Passagierin gefragt: „Wie kommt es eigentlich, dass ihr Volunteers ständig lächelt? Nehmt ihr irgendwas, was euch bei Laune hält?“ Vilesova antwortete ihr: „Ihr Besucher seid es, die mich zum lachen bringen.“

Vor allem solche, die amüsante Fragen stellen wie: Was kann man sich im Olympischen Park anschauen? Reicht unser Geld für eine Fahrkarte nach Krasnaja Poljana? Werden wir dort nicht erfrieren? Ist meine Strumpfhose nicht zu dünn? Soll ich mir eine Neue kaufen? Und wo? Die meisten Besucher wundern sich über die „kommunistischen Preise“: ein Zugticket vom Flughafen Adler bis nach Krasnaja Poljana kostet umgerechnet normalerweise knapp 1,50 Euro.

Neben Personal am Schalter setzt die RzD Volunteers auch auf dem Bahnsteig ein. Eingehüllt in dicke Filzstiefel, sogenannte „Walenki“, und Arbeitskleidung in den Farben schwarz-rot-grau, empfangen sie die Besucher und weisen ihnen den Weg durch die Schranke. Die Freiwilligen sind ein beliebtes Fotomotiv und müssen sich häufig von überschwänglichen Gästen umarmen lassen.

„Russische Olympia-Fans vergessen immer wieder die Zugtür per Knopfdruck zu öffnen“, erzählt eine Freiwillige. In Russland öffnen sich die Türen sonst immer automatisch. „Oft lassen die Besucher Sachen im Zug liegen“, erzählt die 24-jährige Natalija Petrusenko, die aus dem Kurort Anapa am Schwarzen Meer stammt. „Einmal haben wir sogar zentnerschwere Hanteln im Zug gefunden. Die mussten dann von zwei Männern ins Fundbüro gebracht werden.“

Übertragung auf dem Bahnhof

Am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele waren die Besucher ausgelassen. „Es wurden Lieder gesungen und Leute verschiedener Nationalitäten umarmten sich.“ Wer an dem Tag keine Tickets für die Eröffnungsfeier bekommen hatte, schaute sich die Übertragung auf dem Bahnhof an. „Das war wie früher, als man mit der Großfamilie noch gemeinsam fernsah“, sagt Lilija Vilesova.

Während der Olympischen Spiele sind die Fahrten mit den Lastotschka-Zügen kostenlos. Eine Geste Russlands an seine Olympia-Besucher. „Die Fahrt für lau mag ein Vorteil für die Besucher sein, für mich aber ist sie von Nachteil“, sagt Vilesova. „Ich vermisse meine Passagiere schon.“ Gerne würde sie sich mit ihnen austauschen, über Siege und Niederlagen oder einfach nur über Sotschi.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • @Fuchs

    Ja tatsächlich, wenn man inmitten der üblichen Schwarzmalerei der deutschen Presse mal einen abweichenden Artikel sieht, ist man gleich total überrascht.

     

    Also ich empfehle jedem hinzufahren und sich ein eigenes Bild zu machen. War seit Dienstag in Sotschi und kann nur bestätigen, dass die freiwilligen Helfer alle super sind. Sie nehmen sich Zeit alles zu zeigen, sind meist Studenten und machen einen grossartigen Job.

  • SF
    S. Fuchs

    Hallo taz - ich verfolge Sotschi nur am Rande und ich weiß von den Medienberichten um die schlechten Hotels oder so.

     

    Aber zu dem Text hier: Ist das eine Übersetzung eines russischen Propagandablättchens oder was für einen Zweck hat dieser oberflächliche und nichtsaussagende Artikel den ich so in jedem Sonntagswerbeerzeugnis lesen kann?

     

    Gruß

    S. Fuchs

    • CM
      C. Miscellaneous
      @S. Fuchs:

      Genau das selbe habe ich mir auch gerade gedacht.

       

      Ich kenne auch einige deutsche Volunteers, die als Dolmetscher in Sotchi sind. Vielleicht wäre es schön, mal einen von denen zu interviewen?