TONI KEPPELER ÜBER DEN PROZESS GEGEN DEN EXDIKTATOR EFRAÍN RÍOS MONTT : Das Wunder von Guatemala
Es grenzt an ein Wunder: Guatemala ist das Land in Zentralamerika, in dem die Macht der Militärs nach den Jahrzehnten der Bürgerkriege am wenigsten gebrochen wurde. Die Friedensverträge haben das nur zementiert. Nicht nur ist heute ein ehemaliger General Präsident, der als aktiver Militär am blutigen Kriegszug gegen die kleine linke Guerilla und die indianische Bevölkerungsmehrheit beteiligt war. Auch Menschenrechtler leben noch immer gefährlich, und Rechtsradikale verüben nach wie vor politisch motivierte Morde. 98 Prozent aller Verbrechen bleiben straflos, die Justiz gilt als durch und durch korrupt. Und doch ist nun Guatemala das erste Land Zentralamerikas, in dem sich einer der schlimmsten Schergen der Vergangenheit vor Gericht verantworten muss: Exdiktator Efraín Ríos Montt.
Dies ist einer einzigartigen Institution und einer mutigen Frau zu verdanken: Seit Ende 2006 unterhalten die Vereinten Nationen die „Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala“ (Cicig), so etwas wie eine Truppe von Staatsanwälten mit Blauhelmen, die aus der korrupten Justiz eine rechtsstaatliche machen soll und bei prominenten Fällen selbst in die Ermittlungen eingreift. Seit Ende 2010 hat Cicig auf staatlicher Seite Claudia Paz y Paz als Partnerin: eine Generalstaatsanwältin, die ihr Amt als Erste zur Aufklärung und nicht zur Vertuschung nutzt. Gegen alle Widerstände und Drohungen hat sie Verfahren gegen zuvor Unantastbare vorangetrieben, auch das gegen Ríos Montt.
Der Völkermordprozess von Guatemala könne Vorbild auch für andere sein, sagte Navi Pillay, die Hohe UN-Kommissarin für Menschenrechte. Zum Beispiel für das benachbarte El Salvador, wo eine allzu ängstliche linke Regierung rechte Kriegsverbrecher noch immer mit einer Generalamnestie schützt.
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