Opfer-Ambulanz an der Charité: Der Gewalt auf der Spur

Wer beweisen will, dass er geschlagen oder misshandelt wurde, muss seine Verletzungen dokumentieren lassen. Dafür hat die Charité jetzt eine eigene Ambulanz.

Hämatome sind meist nur bis zu 72 Stunden nach einer Tat sichtbar. Bild: Nanduu/photocase.com

Berlin ist beim Opferschutz einen Schritt weiter: Wer von Gewalt betroffen ist, kann Verletzungen bei der neu eingerichteten Gewaltschutzambulanz der Charité dokumentieren lassen – um die Befunde gegebenenfalls vor Gericht zu verwenden. Das gab Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) gemeinsam mit Vertretern der Klinik am Montag bekannt. „Das kann unser Anteil sein, den Schwächsten in der Gesellschaft eine Stimme zu verleihen“, sagte der Rechtsmediziner Michael Tsokos, ärztlicher Leiter der Ambulanz. Die neue Anlaufstelle in der Birkenstraße in Moabit bietet neben der Spurensicherung auch Beratung an.

Viele Verletzungen wie etwa Hämatome oder Würgemale sind meist nur bis zu 72 Stunden nach einer Tat sichtbar. Wer beweisen wollte, dass er Opfer einer Gewalttat wurde, musste sich in der Vergangenheit vom Hausarzt untersuchen lassen – oder von Ärzten in den Rettungsstellen. In der Gewaltschutzambulanz ist die Rechtsmedizinerin Saskia Etzold für die Untersuchung zuständig. Sie sei – anders als Ärzte – nicht auf Wundversorgung, sondern auf eine gerichtsfeste Spurensicherung spezialisiert, erklärte Etzold. „Wir führen zunächst ein Gespräch, um den Hilfebedarf zu klären. Anschließend dokumentieren wir die Verletzungen fotografisch und schriftlich.“

Die Untersuchung ist kostenfrei, die Betroffenen müssen sich lediglich ausweisen. Die Ergebnisse werden gespeichert. „Ziel ist nicht zwingend eine Gerichtsverhandlung“, sagte Etzold. Jeder könne selbst entscheiden, ob er die Dokumentation verwenden wolle. Die Ambulanz unterliegt gegenüber der Polizei einer Schweigepflicht.

Kein Platz für DNA-Spuren

Laut Justizverwaltung wurden 2011 in Berlin 16.100 Fälle von häuslicher Gewalt registriert, 2012 waren es 15.800. In beiden Jahren wurden zudem knapp 500 Fälle von Misshandlung Schutzbefohlener bekannt.

Die Gewaltschutzambulanz ist telefonisch erreichbar unter (030) 4 50 57 02 70 oder per Mail unter gewaltschutz-ambulanz@charite.de. Weitere Infos: gewaltschutz-ambulanz.charite.de (all)

Anders sieht es bei sexualisierter Gewalt aus: Wer Opfer etwa einer Vergewaltigung wurde, kann Spuren – wie bislang auch – von Ärzten in den Rettungsstellen der Charité dokumentieren lassen. Allerdings nur, wenn er zuvor Anzeige erstattet hat. Das liege daran, dass in Berlin nur die Polizei über eine Reservatenkammer verfüge, in der DNA-Spuren aufbewahrt und ausreichend gesichert werden könnten, erklärte Etzold.

Seit Mitte Februar hat die Gewaltschutzambulanz bereits geöffnet. Vor allem Frauen, die Gewalt von ihrem Partner erfahren haben, seien zu ihnen gekommen, so Etzold. Außerdem hätten Mitarbeiter von Jugendämtern Kinder mit Verletzungen vorgestellt. Auch einzelne Männer, die bei einem Überfall zusammengeschlagen wurden, seien untersucht worden.

Die Gewaltschutzambulanz hat unter der Woche nur zu bestimmten Zeiten geöffnet, man muss einen Termin vereinbaren. 150.000 Euro lässt sich das Land die Anlaufstelle kosten. Sie soll nur den Anfang machen: Geht es nach den Charité-Mitarbeitern, soll es in zwei Jahren ein Haus am Campus Virchow-Klinikum in Wedding geben, das alle Hilfsangebote für Opfer von Gewalt unter einem Dach vereinigt – dann auch mit eigener Reservatenkammer und einer Anlaufstelle rund um die Uhr.

Ein solches größeres Gewaltschutz-Zentrum wäre deutlich teurer. Der ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, rechnet mit knapp einer Million Euro allein an Personalkosten pro Jahr. Justizsenator Heilmann betonte, seine Verwaltung führe Gespräche mit der Gesundheits- und Jugendverwaltung, um im nächsten Doppelhaushalt „vernünftige Strukturen“ für die Versorgung möglich zu machen.

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