: „15 Kugelschreiber“
Kristian Wiegand tourt mit einer Torwand durch Island, wirbt für den Fussball – und für die deutsche Sprache
taz: Herr Wiegand, wie entstand die Idee fürs „Deutschmobil“?
Kristian Wiegand: Das Deutschmobil war eine Idee von Oddny Sverrisdóttir, der Dekanin der Universität Islands. Ihr kleiner Neffe fing plötzlich an, über Deutschland zu sprechen. Sie fragte ihn, warum. Er antwortete, in Deutschland sei doch die Fussball-WM. Darauf dachte sich Sverrisdóttir, man müsse dieses Fussballinteresse an Deutschland irgendwie nutzen.
Warum braucht Deutschland eine Imagekampagne in Island?
Damit wieder mehr Jugendliche Deutsch als Fremdsprache wählen und der Austausch für sie wieder interessanter wird. Früher studierten von 300.000 Isländern 600 in Deutschland. Heute sind es gerade 80.
Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Ich fahre mit dem Auto in eine Schule. Im Anhänger habe ich eine Torwand, wie man sie aus dem ZDF-Sportstudio kennt. Die baue ich auf, stelle mich auf Isländisch vor und rede anschließend nur Deutsch mit den Schülern. Dann schießen alle auf die Torwand; wer trifft, gewinnt ein T-Shirt. Außerdem bekommen die Kinder einen Flyer mit Wörtern wie „Schiedsrichter“, „Halbzeit“, „rote Karte“.
Aber die Schüler verstehen kein Deutsch?
Das ist das Konzept. In den Kindern soll der Wunsch geweckt werden, mit mir reden zu können. Das geht nur, wenn sie Deutsch lernen. Fussball, Spaß – und Deutsch: Wenn man das kombinieren kann, hat man etwas erreicht, was in der Schule schwer möglich ist.
Island hat sich nicht für die WM qualifiziert und gilt als Fussballzwerg. Interessieren sich die Isländer überhaupt für den Sport?
Hier wird Fussball stark gefördert, jede Grundschule hat einen eigenen Kunstrasenplatz. Vor allem Frauenfussball boomt. Ich arbeite mit Kindern von 10 bis 16 Jahren: Was da für 11-jährige Mädchen aufs Tor zimmern, da können sich die Jungs warm anziehen.
Gefördert wird das Projekt u. a. vom Goethe-Institut und der Bosch-Stiftung. Schon mal beim DFB angefragt?
Wir haben den DFB und die Vereine gefragt, ob sie uns mit Fanartikeln unterstützen. St. Pauli und Bayern München schickten ein Trikot zum Verlosen. Der DFB antwortete, dass wir sein Logo nicht benutzen dürfen. Das ist ein bisschen wenig. Und das WM-Organisationskomitee schickte 15 Kugelschreiber. Die kamen super an, aber wenn du 20 Kinder hast, und fünf kriegen nichts … da fließen Tränen. Und nachher geht der Schuss nach hinten los und die Schüler sagen: Die blöden Deutschen haben mir nichts gegeben – ich lerne lieber Spanisch. Interview: Michael Aust
Mit einer Torwand durchs Land der Fussballzwerge: Seit September fährt der Deutsche Kristian Wiegand (28) mit dem „Deutschmobil“ durch Island. 8.000 Schüler in 160 Grundschulen hat er bereits besucht. Ein ähnliches Projekt läuft derzeit in Frankreich.