Wächterpreis für „Abendzeitung“: Insolvent und ausgezeichnet
Für die Aufdeckung der „Verwandtenaffäre“ in Bayern hat die Münchener „Abendzeitung" den renommierten Wächterpreis gewonnen.
FRANKFURT/MAIN epd | Die insolvente Abendzeitung aus München ist für die Aufdeckung der sogenannten Verwandtenaffäre im Bayerischen Landtag mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet worden.
Die Korrespondentin Angela Böhm habe beharrlich und gegen erhebliche Widerstände die Praxis enthüllt, Ehepartner und Kinder auf Kosten des Steuerzahlers zu beschäftigen, teilte die Stiftung „Freiheit der Presse“ mit. Die Journalistin habe entscheidend dazu beitragen, diese Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Böhm erhielt dafür am Freitag in Frankfurt am Main den ersten Preis, der mit 12.000 Euro dotiert ist.
Den zweiten Preis und 8.000 Euro bekamen im Frankfurter Römer Peter Berger und Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger. Sie recherchierten die Fakten zur Haltung katholischer Kliniken, vergewaltigte schwangere Frauen entsprechend den Vorgaben der Kirche abzuweisen. Angesichts der Debatte um dieses Vorgehen habe die Kirche ihre Haltung geändert, erklärte die Jury.
Der dritte Preis und 6.000 Euro gingen an Rudi Kübler und Christoph Mayer, die für die Südwest Presse (Ulm) fehlerhafte Planungen beim Neubau einer chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Ulm aufdeckten.
Die Preisträger wurden von der Jury unter dem Vorsitz von Hermann Rudolph, dem Herausgeber des Tagesspiegels, ausgewählt. Die Stiftung „Freiheit der Presse“ vergibt die Auszeichnung in diesem Jahr zum 45. Mal. Geehrt werden Journalisten deutscher Tageszeitungen, die in ihrer Arbeit „in besonderem Maße der verfassungspolitischen Funktion der Tagespresse entsprochen haben, als Wächter Missstände aufzudecken und zu behandeln“.
Leser*innenkommentare
tazzy
Die Abendzeitung ist wirklich eine der wenigen - eigentlich die einzige - Boulevardzeitung in Deutschland, die man tatsächlich auch als (unverklemmter und dem Boulevard offener) Intellektueller lesen kann, ohne dass man sich schämen muss. Im Gegensatz zu den anderen Blättern aus dieser Kategorie, die sich auf menschenverachtende Hetze und rechtspopulistische Schlagzeilen spezialisiert haben, hat sich die AZ ein weltoffen-liberales Profil bewahrt und sich auch im Mutterland der CSU niemals an die schwarzen Amigos angebiedert, sondern diese auch mutig kritisiert.
Und obwohl die AZ eine Lokalzeitung ist, hat die Online-Ausgabe auf az-muenchen.de mit 3 Millionen Unique-Usern die größte Reichweite aller deutscher Kaufzeitungen - nach dem Onlineauftritt von BLÖD.de. Das eigentlich bekanntere Hamburger Abendblatt liegt z.B. mit nur 1,77 Millionen sehr deutlich zurück. Ich verstehe nicht, warum so eine (zumindest aus relativer Sicht des Boulevards) hochwertige Zeitung keine Zukunft finden soll, insbesondere wenn man auch noch einen Online-Auftritt mit extrem hoher Reichweite mitbringt.