: Albtraum Werkgetreuer
Mischpult-Wizard Matthias Arfmann arbeitet sich an Klassik-Evergreens ab. Hauptrolle spielen dabei nicht die Musiker, die Komponisten oder gar Herbert von Karajan – sondern die Plattenfirma
von Alexander Diehl
Was hat man sich in den entsprechenden Abteilungen der Deutschen Grammophon (DG) – respektive ihrer Mutterkonzerne – nicht schon alles einfallen lassen. Denn aus demographischen Gründen droht dem mehr als reichlich in den Archiven schlummernden Material, all den einst Maßstäbe setzenden Einspielungen an Klassik- und Romantik-Repertoire das Publikum abhanden zu kommen. Wer aber soll dann die kommenden Formatwechsel mitmachen – wenn etwa die CD durch die SACD, und die wiederum durch die DVD oder, noch etwas später, schwarze Siliziumpyramiden oder was immer abgelöst wird?
Also setzte man schon vor Jahren darauf, zumeist Smoothes aus vorangegangenen Jahrhunderten gezielt für urbanes, jugendliches Publikum aufzubereiten. Zunächst gebar dieses Unterfangen hip anmutende Compilations mit entsprechendem Verpackungsdesign und Titeln wie „Yellow Lounge“ oder „Gar! Klassiker aus dem Kochsalon“. Auch ließ man Prominente aus anderen (pop-)kulturellen Bereichen eine Art Mixtape mit Stücken angeblicher Lieblingskomponisten zusammenstellen: Benjamin von Stuckrad-Barre traf da auf Johannes Brahms, Christoph Schlingensief widmete sich Richard Wagner, Harald Schmidt wählte Arbeiten Johann Sebastian Bachs aus.
Nun zündete ein (im weitesten Sinne) Hamburger Gewährsmann für das Zeitgemäße die nächste Stufe: Ende August durfte Matthias Arfmann – mit einiger Verzögerung – die Reihe „Deutsche Grammophon ReComposed“ eröffnen. Im höchsten Auftrag bediente sich der bestens beleumundete Dub- und HipHop-Produzent an allerlei Evergreens der E-Musik – von Holst und Rimsky-Korsakow, Smetana und Wagner, Tschaikowski oder Dvorák –, allesamt in den frühen 70ern dirigiert von Herbert von Karajan. Arfmann verpasste ihnen mehr oder minder behutsam neue Kleider, änderte etwa die Phrasierung, ebnete Tempowechsel ein und strickte Abläufe um. Er fügte andererseits Neues hinzu: Reggae-Bässe und Schweinegitarren, aber auch inhaltlich durchaus schlüssige Gesänge von Sängerin Onejiru.
Bemerkenswert wenig läuft das auf bloße Effekthascherei hinaus – Fragen wie die, ob zu Franz Schuberts „Unvollendeter“ karibisch geschunkelt werden dürfe, ersparte es sich gleichwohl nicht. Interessant wird sein, wie Arfmann und seine Band ihre Tim-Burton-taugliche Bearbeitung von Gustav Holsts „Mars“ und andere Albträume für Werktreue-Fetischisten nun auf die Bühne der Fabrik bringen. Und natürlich, welchen Altersschnitt das Publikum hat.
mit Sue: Do, 15. 12., 21 Uhr, Fabrik