: Eine Runde der Ehre
Schalke 04 gewinnt mit 1:0 gegen den FSV Mainz 05, verliert aber seinen Trainer. Ralf Rangnick hat das Gezerre um seine Person nämlich satt – und kündigt seinen Abschied zum Sommer an
AUF SCHALKE DANIEL THEWELEIT
Die symbolträchtigste Szene des 1:0-Sieges von Schalke 04 gegen Mainz 05 ereignete sich nach genau einer Stunde. Schalkes Sportdirektor Andreas Müller beschwerte sich mit heftigen Worten über einen nicht gegebenen Elfmeter, wurde auf die Tribüne verbannt und ließ seinen Trainer Ralf Rangnick einsam zurück auf der blau-weißen Trainerbank. Auch unter der Woche hatte der Sportdirektor seinen wichtigsten Angestellten allein gelassen im Rangnick-feindlichen Klima, das rund um das Büro von Manager Rudi Assauer herrscht. Dieser Schritt war der letzte Auslöser für eine höchst ungewöhnliche Trainerposse.
Auf einer Vorstandssitzung Anfang der Woche hatte das vierköpfige Gremium mit Assauer, Müller, Aufsichtsratschef Clemens Tönnies und Finanzchef Josef Schnusenberg beraten, ob man denn auch über 2006 hinaus mit Rangnick arbeiten wolle. Dort habe es „keine Entscheidung“, sehr wohl aber „eine Tendenz gegen eine Verlängerung“ des im Sommer auslaufenden Vertrages gegeben, erzählte Müller, der bis dahin immer als Fürsprecher des Trainers galt, am Samstag. Es war eine geheime Beratung, doch am Donnertag stand die Sache mit der Tendenz in einer Boulevardzeitung.
„Ich habe daraufhin Andreas Müller angerufen und ihm gesagt: Mich interessiert nicht, wer das gesagt hat, mich interessiert nur, ob das stimmt“, erzählte Ralf Rangnick mit bebender Stimme. „Und nachdem diese Antwort nicht gekommen ist, war für mich klar, was zu tun ist.“ Er verkündete, dass er seinen Vertrag nicht verlängern werde.
Am Samstag fügte dann auch Rangnick diesem hässlichen Machtspiel, das sehr viel mit zwischenmenschlichen Schwingungen und erschreckend wenig mit sportlichem Erfolg zu tun hat, ein Kapitel hinzu. Vor dem Spiel gegen Mainz drehte er eine Runde in der Arena und ließ sich von den Fans feiern. Das war ein Affront, eine Art Rache, der Versuch, das Volk auf seine Seite zu ziehen. Entsprechend erbost war Assauer darüber. „Fußballer drehen ab und zu schon mal ab“, meinte der Manager zu der Aktion, die Rangnick als „Dank für die Unterstützung 2005“ bezeichnete. Wäre es nur ein Dank gewesen, hätte er auch bis nach dem Spiel warten können.
Das sah auch Assauer so. „Wenn ich eine Ehrenrunde drehe, dann verabschiede ich mich vom Publikum. Das war schon eine Geschichte, die eine gewisse Werthaltigkeit hat für das Dasein eines Trainers bei Schalke 04. Wenn ich mich verabschiede, dann heißt es: Jetzt ist Schluss.“ Kapitän Frank Rost soll die Ehrenrunde mit „So ein Zirkus, das ist eine Farce“ kommentiert haben, und Assauer schloss ab: „Ich kann Rangnick nicht weiter laufen lassen unter den jetzigen Gegebenheiten.“
Der Trainer wird also höchstens noch bei der Partie der Schalker in Stuttgart am kommenden Wochenende auf der Bank sitzen, das kann wohl als sicher gelten. Auch wenn Rangnick betont, seinen Vertrag bis zum Sommer erfüllen zu wollen, und die Klubführung sagt, sie werde diese Frage in Ruhe in der Winterpause erörtern. Die Bäuche haben längst entschieden.
Für die Fans ist genau dies das Traurige an der hässlichen Fehde, denn ihre Leidenschaft zum Klub ist zum Spielball seltsamer Funktionärsemotionen geworden. Der Trainer hat diese Mannschaft zu einem konkurrenzfähigen Champions-League-Teilnehmer gemacht, auch beim völlig verdienten Sieg gegen Mainz spielten sie gut, was für das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft spricht, kein Schalker Trainer kann auf eine bessere Bundesligabilanz verweisen. Die Skeptiker sagen zwar, das Ausscheiden in Pokal und Champions League und der magere vierte Platz in der Bundesliga seien sportlich zu wenig, zuletzt holte Rangnick jedoch 13 Punkte aus fünf Spielen und überzeugte in der Königsklasse.
Vielleicht ist die ganze Posse indes genau dieser jüngeren Erfolgsserie geschuldet. Insider sagen, Rangnick sei einem Rauswurf nur zuvorgekommen. „Das Thema Vertragsverlängerung war überhaupt kein Thema“, sagte Rangnick und legte damit ebenfalls nahe, dass die Eskalation gewollt war. Eine simple Entlassung des Erfolgstrainers hätte höchst seltsam gewirkt und den ohnehin schon angeschlagenen Assauer in ein schlechtes Licht gerückt. Nun haben Assauer und seine Gefolgschaft das Thema lanciert, einer aus der Klubführung hat die Bild-Zeitung mit internen Informationen beliefert, und überhaupt hatte hier „vier Wochen lang jeder etwas dazu zu sagen“, erregte sich Rangnick. Wenn man so will, wurde der Schwabe also rausgeekelt aus einem Klub, dessen Manager ihn schon bei der Einstellung als „Rolf Rangnick“ vorgestellt hatte.