: Oligarch Schröder
VON HANNES KOCH
Die neue Tätigkeit von Gerhard Schröder (SPD) könnte bald ein Thema für den Bundestag werden. Weil der Exkanzler den Aufsichtsratsvorsitz der deutsch-russischen Pipeline-Gesellschaft übernimmt, macht sich der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Reinhard Loske, für eine Regelung stark, die so etwas untersagt. „Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem wir handeln müssen“, sagte Loske zur taz.
Auf Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin wird Schröder Aufsichtsratschef des Unternehmens Nordeuropäische Gaspipeline. Diese hat begonnen, die rund 5 Milliarden Euro teure und 1.200 Kilometer lange Erdgasleitung vom nordrussischen Ort Babajewo östlich von St. Petersburg durch die Ostsee bis nach Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern zu bauen. 51 Prozent der Pipeline-Firma gehören dem russischen Staatskonzern Gazprom, jeweils 24,5 Prozent den in Deutschland ansässigen Konzernen Eon und BASF. Inklusive Schröder besetzen deutsche Vertreter fünf von neun Sitzen im Aufsichtsrat und halten damit die Stimmenmehrheit. Als Kanzler hatte Schröder das Pipeline-Geschäft zusammen mit Putin in die Wege geleitet. Die russische Regierung stärkt damit ihre Rolle in der europäischen Energiewirtschaft.
Für Loske zeigt die neue Tätigkeit Schröders eine zu große „Verwobenheit der Politik mit der Energiewirtschaft“. Der Fraktionsvize will das Thema heute im grünen Parteirat zur Sprache bringen. Er strebt eine gesetzliche Regelung oder eine Selbstverpflichtung der Bundesregierung an, um ehemaligen Kabinettsmitgliedern für eine Karenzzeit von drei Jahren Jobs in der Wirtschaft zu untersagen. Kontakte zu den anderen Bundestagsfraktionen hatte Loske gestern zwar noch nicht aufgenommen, doch die Kritik an Schröders Vorgehen zieht durch alle Parteien.
SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer sagte: „Schröder hätte sich das verkneifen sollen.“ Außenpolitiker Eckart von Klaeden von der Union sah „schiefes Licht“. Für die Antikorruptionsorganisation Transparency International fragte deren Deutschland-Chef, Hansjörg Elshorst, ob Schröder einen „inakzeptablen“ persönlichen Vorteil erhalte, beziehungsweise welche „Motive“ der Exkanzler verfolge. Schätzungen über Schröders Jahreshonorar bei der Pipeline-Firma reichten von 42.000 bis zu 1 Million Euro. Angesichts dieser Dimensionen fiel es FDP-Generalsekretär Dirk Niebel leicht, einen „Hauch von Korruption“ auszumachen. Bei Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sowie den Vorständen von Eon und BASF herrschte Überraschung.
Dass Politiker vom öffentlichen Amt direkt in die Wirtschaft gehen, kommt immer wieder vor. Horst Teltschik, Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl, wechselte 1991 zunächst in den Vorstand von Bertelsmann, dann zu BMW. Schröders Exwirtschaftsminister Werner Müller leitet heute die Eon-Kohle-Tochter RAG. Sein ehemaliger Staatssekretär Alfred Tacke übt denselben Job bei der RAG-Tochter Steag aus. Nachdem Müller und Tacke die Übernahme des RAG-Vorgängers Ruhrkohle AG durch Eon genehmigt hatten, wollten unter anderem die Grünen 2004 nach Filz riechende Politikerwechsel in die Wirtschaft unterbinden. Eine Regelung im Bundestag ist damals aber nicht zustande gekommen. Anders bei der Europäischen Union: Nachdem Exkommissar Martin Bangemann (FDP) beim spanischen Unternehmen Telefonica angeheuert hatte, wurden EU-Spitzenpolitikern derartige Jobs in der Wirtschaft für das erste Jahr nach Ausscheiden untersagt.
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