Die Wahrheit: Burning Man

Neues aus Aotearoa: In Kimdotcomland deutet alles daraufhin, dass proletenhafte Partys ab jetzt zur Tagesordnung gehören.

Party party! So schallt der Schlachtruf unten aus Ozeanien. Tief, tief unten. Unser Wahlkampf sinkt dank des Dicken aus Kiel-Mettenhof gerade auf Südpol-Niveau. Während der Kampagne des Internetpiraten gegen Neuseelands Premierminister wird gezündelt, gepöbelt, geschunkelt und beleidigt. Hauptsache, Krawall. Aotearoa ist entsetzt und entflammt. So derbe kann Stimmenfang sein, wenn ein Teutone mitmischt.

„Party“ heißt nicht nur Feier, sondern auch Partei. „Party party“ ist die PR-Sause, die Kim Dotcom mit seiner frisch gegründeten Internetpartei schon Anfang des Jahres starten wollte, aber wegen angeblich gekaufter Wählerstimmen vertagen musste. Als letztens die All Blacks ein Rugbyspiel gewannen, lud er spontan 20 Twitter-Follower zur Poolparty auf sein Anwesen ein.

In diesem Stil ging’s weiter. Jetzt war er unterwegs von Nord nach Süd, im Bündnis mit der linken Mana-Partei. Die Vorsitzende seiner Partei, die Alt-Linke Laila Harré, musste sich von Premierminister John Key derweil vorwerfen lassen, dass Multimillionär Dotcom ihr „sugar daddy“ sei. Klar unter der Gürtellinie!

Dann der Aufschrei von konservativer Seite. Kim rockte in den letzten Wochen in allen größeren Städten vor jungem Publikum, schmiss seine lange ersehnte Party und führte sich zu Stampfmusik als Retter der wahlmüden Jugend auf. „Are you ready for a revolution?“, brüllte er vor Studenten in Christchurch. „Kim-Dot-Com!“, brüllten die Masse unisono im Wummertakt zurück.

Ein Grinsen erleuchtete das Gesicht des neuen Politstars. Er drohte an, in die Menge zu steigen und jeden persönlich zu umarmen. Die Stimmung wurde aufgeheizter. Schließlich frenetische Sprechchöre: „Fuck John Key! Fuck John Key!“ Das gab’s noch nie. Nur Fackeln und Feuerwerk fehlten. Dagegen sehen die hiesigen Grünen wie Mumien aus.

Opposition wie Medien schwingen jetzt die Nazi-Keule: Das Brüllen in Horden würde eher zum deutschen Faschismus als ins Neuseeland des 21. Jahrhunderts gehören. Ein Kommentator fühlte sich an Hitlers Aufmärsche in Nürnberg erinnert – nicht zuletzt, weil Dotcom Nazi-Memorabilia sammelt und „Nigger“-Witze für lustig hält. Seit Tagen zirkuliert ein Video, das eine Verbrennung im Stile von „Burning Man“ zeigt. Man sieht eine aus Holzscheiten errichtete Puppe, deren Kopf das Konterfei von John Key trägt. Staatsoberhaupt auf dem Scheiterhaufen – angeblich angezettelt von Big Kim.

Der Humor des Mega-Upload-Multis ist halt etwas anders. Auf seiner Wahlkampftour stoppte er mit Laila Harré auch in Waihopai nahe Nelson, wo Neuseelands Spionagebasis steht. Lustig war in der Tat, dass sein spaßiger Trupp dort auf den roten Klingelknopf drückte, um mit jemandem zu sprechen. „50 mm Abstand halten“, hieß es an der Gegensprechanlage. Es kam aber niemand – nur ein Polizeiwagen, gerade als Dotcom wieder aufbrechen wollte. Vorher schoss er noch ein hübsches Selfie vor den gigantischen weißen Radarkugeln auf freiem Feld, mit Daumen runter. Bitte mehr Partyfotos!

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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