: Tanz den Gutmensch
„Spend Your Talent“ und „Sage Hospital“: Charity-Partys sind schwer im Kommen – nicht zuletzt, weil auch das Milieu der Clubs froh ist, den Blick über den eigenen Tellerrand beweisen zu können
VON PATRICIA CASPARI
Normalerweise trennen Welten die beiden Clubs Watergate und Sage: Ist das Sage mit einer breiten Veranstaltungspalette zwischen Mainstream und Avantgarde als bunter Vergnügungstempel angelegt, frönt man im puristisch gestylten Watergate vorrangig Elektro und Drum ’n’ Bass. In der Vorweihnachtszeit aber laden beide Clubs zu Spendenpartys.
Anfang Dezember hieß es im Watergate: „Spend Your Talent“. Angeheuert von dem gleichnamigen gemeinnützigen Verein, sorgten angesagte DJs wie Paul Kalkbrenner, Haito, Fetisch und Anja Schneider dafür, dass viele große Kinder kräftig feierten. Der Erlös ging an die „Arche e. V.“ in Friedrichshain, die sozial benachteiligten Kindern hilft.
Heute, gut eine Woche später, schwingt man auch im Sage engagiert das Tanzbein. Mit einem großen Aufgebot an Livebands, einer stattlichen DJ-Garde und einer Showeinlage der koketten Burlesque-Stripperinnen „The Teaserettes“ sammelt man schon zum vierten Mal für das „Sage Hospital“ – einem Kinderkrankenhaus im Senegal, das von dem Club aufgebaut wurde. Sieht so aus, als hätte die hedonistische Partygeneration das Gutmenschentum entdeckt.
Damit liegt sie im Trend: Katastrophen in der jüngeren Vergangenheit haben die Spendenbereitschaft der Deutschen beträchtlich steigen lassen. „Im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Juni 2005 waren es 2,6 Milliarden Euro“, berichtet der Deutsche Spendenrat – so viel wie noch nie. Ein großer Anteil ist auf die Tsunamikatastrophe zurückzuführen. Aber man weiß ja: Sobald die Berichterstattung nachlässt, versiegt der Geldfluss.
Den Betreibern der Charity-Partys geht es deswegen nicht um das kurze, karitative Vergnügen, sondern um langfristige Hilfe. Ihren Verein „Spend Your Talent“ gründeten Maike Schnur und Luca Romeyke, nachdem sie von Kinderarmut in der Stadt gelesen hatten: Bei ihnen legen DJs umsonst auf, Werber verfassen ehrenamtlich PR-Texte, Köche brutzeln für lau und Künstler werden allein mit Beifall entlohnt, damit der Gewinn der Clubs, durch die die „Spend Your Talent“-Nächte touren, gespendet werden kann. Der Kindernotdienst und das Kinder- und Jugendrestaurant der Berliner Tafel profitierten schon davon. „Kinder brauchen Perspektiven“, meinen die beiden Aktivisten und finden große Unterstützung in der Elektroszene: „Es ist fast so, als hätten die Kreativen auf eine solche Plattform gewartet“, sagt Romeyke, „schließlich haben nicht wenige der Künstler selbst harte Zeiten durchgemacht – sie wissen, wie es ist, kein Geld zu haben.“
Auch im Sage hält man viel von einer nachhaltigen Spendenkultur. Seit Herbst 2003 unterstützt der große Club den Aufbau und die Finanzierung eines Hospitals im senegalesischen Warang. Auslöser war das Engagement der beiden Stewardessen Cynthia Clottey und Katharina von Ballestrem. Mit einer Spendenbüchse vorm Clubeingang haben die beiden angefangen: Von Ballestrem hatte in Mombasa erlebt, wie nach einer Geburt ein Zwilling starb, weil das Krankenhaus nur über einen einzigen Brutkasten verfügte. Daraufhin sammelte sie mit ihrer Freundin in Krankenhäusern vier Tonnen medizinische Güter, neben Medikamenten waren drei Brutkästen darunter. Den Transport finanzierten sie großteils mit den Spenden der Sagegänger. Allerdings stellten die beiden Frauen einige Monate später fest, dass die Geräte niemals angeschlossen wurden: Eine große Hilfsorganisation, die das Hospital schon länger mit Gütern versorgte, unterband die Nutzung der Konkurrenz-Geräte.
Statt aufzugeben, regte einer der Sage-Betreiber an, eine wirkungsvollere Hilfsaktion zu entwickeln. Als Clottey im Senegal dann ein halbfertiges Krankenhaus entdeckte, das aus Geldmangel nicht fertig gestellt wurde, kam eine kühne Idee auf: Warum nicht dieses Hospital instand setzen? Von Ballestrem grinst, als sie an die Verhandlungen mit den Dorfältesten denkt: „Der Senegal ist ein muslimisches Land, in dem eine Frau erst etwas zählt, wenn sie Kinder hat – und dann kommen zwei Stewardessen und erklären, dass sie gern den Aufbau ihres Krankenhauses übernehmen wollen.“
Die Neugier war dann doch größer als ihre Skepsis. Nach der Gründung des gemeinnützigen Vereins „Sage Hospital e.V.“ wurde im Herbst 2003 die erste „Brennpunkt Afrika“-Spendenparty organisiert – und 15.800 Euro in einer Nacht gesammelt. Aus der kargen Landschaft Senegals ragt heute ein sattgelbes Schild, auf dem in dunkelblauen Lettern „Sage Hospital“ steht. In Sandgelb und tiefem Dunkelblau ist auch das Krankenhaus gestrichen, das inzwischen als Vorzeigehospital der Region gilt. Die Chefärztin und das sechsköpfige Pflegeteam werden alle vom Sage bezahlt.
Die beiden Stewardessen fliegen so oft wie möglich hin, um auf dem Laufenden zu bleiben und neue Maßnahmen zu besprechen. „Bei jeder Spendenparty berichten wir den Clubgängern, was aus ihrem Geld geworden ist“, erzählt Katharina. Und: „Wir sind keine anonyme Organisation, wir sind einfach zwei junge Frauen, die sich engagieren. Wir können uns aber auch stundenlang herrlich über einen Lippenstift unterhalten.“ Hauptsache ist aber, dass heute im Sage ordentlich gefeiert und Gutes getan wird: Tanz den Weihnachtsmann.
Heute im Sage Club, ab 20 Uhr Update mit Cynthia und Katharina, mit 10 Bands (u. a. Liquido, Gods of Blitz) und div. DJs (u. a. Dr. Motte, Mijk van Dijk, Mitja Prinz)