: Antifas hinter schwedischen Gardinen
Nach einer Demonstration gegen Neonazis in Stockholm nimmt die Polizei dort sechs Berliner Antifas fest. Zwei von ihnen sitzen immer noch in Untersuchungshaft – ohne Kontakt zu ihren Anwälten und Freunden
Seit Samstag sitzen zwei Berliner Antifas in Stockholm in Untersuchungshaft. Die beiden 19-Jährigen hatten an einer Demonstration gegen Neonazis, bei der es zu Sachschäden kam, teilgenommen. Anschließend wurden sie verhaftet. Vorwurf: Landfriedensbruch. Bisher haben weder ihre Berliner Rechtsanwälte noch Verwandte und Freunde Kontakt mit den beiden.
Die Vorgeschichte: Zusammen mit zahlreichen weiteren meist jugendlichen AntifaschistInnen sind die beiden Berliner Antifas Fabian und Patrick – die Nachnamen sind auf Wunsch der Betroffenen bisher nicht veröffentlicht worden – am Wochenende mit dem Bus nach Stockholm gefahren. Dort fand mittlerweile zum fünften Mal ein europaweiter Aufzug von Neonazis, der so genannte Salemmarsch, statt. Während der Aktionen kam es am Samstagnachmittag in der Innenstadt zu Auseinandersetzungen. Einige Scheiben gingen zu Bruch. Zu Festnahmen kam es allerdings während der Demonstration nicht. Erst drei Stunden später griff die schwedische Polizei zu. Sie nahm sechs Berliner Antifas kurz vor der Rückreise in ihren Bussen fest. Vier Personen wurden im Laufe der nächsten Stunden auf freien Fuß gesetzt.
Die beiden Inhaftieren haben derzeit nur Kontakt zu ihren schwedischen Pflichtverteidigern, von denen auch alle Informationen über die Situation der beiden Verhafteten stammen. Anrufe mit Verwandten und Freunden sind nicht möglich. Selbst die beiden Berliner Wahlverteidiger haben bisher noch keinen Kontakt zu ihren Mandanten. Martin Henselmann, einer der Verteidiger, sieht in der Praxis der schwedischen Behörden, keine Anwälte aus anderen Ländern zuzulassen, einen Bruch des europäischen Rechts. Damit werde das Recht auf die freie Verteidigerwahl eindeutig eingeschränkt.
Patrick und Fabian wird von der schwedischen Justiz Landfriedensbruch vorgeworfen. Die genaue Beweislage kennt allerdings auch Henselmann nicht. Akteneinsicht haben nur die Pflichtverteidiger. Sie dürfen nach schwedischem Recht darüber nicht in der Öffentlichkeit berichten, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Zumindest bis zum Prozess, der wahrscheinlich im Januar beginnt, werden die beiden wohl noch hinter schwedischen Gardinen sitzen müssen. Eine Haftverschonung wurde vom Gericht abgelehnt. Der Haftrichter hat die Untersuchungshaft am Dienstagabend verlängert.
Mittlerweile hat sich in Berlin eine Soligruppe gegründet, die vor allem Geld für die Verfahren auftreiben will. Zu einer politischen Bewertung des Falls ist man bisher noch nicht gekommen, sagte die Sprecherin der Soligruppe Anja Roth der taz.
Allerdings fühlen sich politische AktivistInnen an die Ereignisse im schwedischen Göteborg im Sommer 2001 erinnert. Damals wurden nach einer Demonstration von GlobalisierungskritikerInnen zahlreiche TeilnehmerInnen festgenommen. Einige wurden nach mehreren Monaten Untersuchungshaft freigesprochen, andere saßen eine längere Haftstrafe ab.PETER NOWAK