Messerstecherei in Kreuzberg: "Der Görli ist eh kein Kinderpark"

Nach einer Messerstecherei im Görlitzer Park hat ein Kind die mutmaßliche Tatwaffe gefunden. Lorenz Rollhäuser von der Anwohnerinitiative sieht das entspannt.

Görlitzer Park Eingang Falckensteinstraße, wo es zur Messerstecherei kam. Bild: dpa

taz: Herr Rollhäuser, am Freitag gab es im Görlitzer Park wieder eine Messerstecherei mit einem Schwerverletzten. Laut Polizei handelt es sich beim Tatverdächtigen wie beim Opfer um Dealer. Verändert das die Stimmung bei den Anwohnern oder sind die an solche Auseinandersetzungen längst gewöhnt?

Lorenz Rollhäuser: Ich glaube, solange diese Auseinandersetzungen unter den Dealern selbst stattfinden, nehmen das viele Leute so hin. Es ist ja nicht zum ersten Mal passiert. So eine Messerstecherei ist auch ein Ausdruck davon, unter welchem Überlebensdruck die Dealer stehen. Da dreht wegen ein paar Euro schnell mal jemand durch. Ich schätze, dass auch viele Anwohner das mitdenken. Es bleibt am Ende eine Hilflosigkeit, was man tun kann.

In dem Fall tangierte der Streit auch andere Parknutzer: Ein Kind hat die mutmaßliche Tatwaffe, ein Messer, hinterher in den Sträuchern gefunden. Ändert das etwas an der Debatte?

Vielleicht bei anderen Leuten. Ich persönlich scheue mich vor Dramatisierungen, nur weil Kinder peripher involviert sind. Man kann in Kreuzberg auch Spritzen finden. Ich glaube zudem, keiner lässt seine Kinder zurzeit unbeaufsichtigt im Görli spielen. Der Park ist eh kein Kinderpark. Das ist zum Teil eine Folge der derzeitigen Verhältnisse. Zum Teil war das aber auch früher schon so. Viele Eltern, die hier wohnen, gehen seit Langem lieber auf den Kinderbauernhof, weil es da weniger Scherben und weniger Dreck gibt.

Nach einer Messerstecherei mit einem Schwerverletzten im Görlitzer Park ist ein Tatverdächtiger verhaftet worden. Gegen den 19-Jährigen wurde am Samstag ein Haftbefehl wegen versuchten Totschlags erlassen, wie ein Polizeisprecher am Sonntag berichtete. Der junge Mann soll bei einem Streit am Freitagnachmittag einem 20-Jährigen mit einem Messer in den Hals und den Oberkörper gestochen haben. Noch am Freitagabend wurde der Verdächtige in einem Krankenhaus festgenommen, wo er sich wegen einer Schulterverletzung behandeln ließ. Sowohl beim mutmaßlichen Täter als auch beim Opfer handelt es sich laut Polizei um Drogenhändler. (dpa)

Die Messerstecherei spielt Innensenator Frank Henkel (CDU) in die Hände, der hart durchgreifen und den Görlitzer Park ab April zur „Null-Toleranz-Zone“ erklären will.

Ja, das werden manche sicher so interpretieren. Man könnte aber genauso gut sagen: Es ist dringend nötig, dass die, die im Park stehen, eine Arbeitserlaubnis kriegen. Damit sie eine andere Option haben, als Drogen zu verticken.

Lehnt Ihre Anwohnerinitiative Henkels Null-Toleranz-Politik ab?

Wir halten es nicht für sinnvoll, nur auf Polizei und Repression zu setzen. Das ist dumm. Abgesehen davon glaube ich auch nicht, dass es sich aus Kostengründen lange durchhalten lässt. Wenn man den Görli zur drogenfreien Zone machen will, wird das ja unheimlich teuer. Dieses Geld sollte man besser anders investieren, um die Situation zu entschärfen.

Zum Beispiel?

Wir fordern schon lange Sozialarbeiter im Park. Die könnten Konflikte zwischen Anwohnern und Dealern entschärfen. Statt so eine Idee, die viele im Bezirk für richtig halten, allmählich mal umzusetzen, schieben sich Bezirk und Senat gegenseitig die Schuld für die Zustände zu. Das hilft uns allen nicht weiter.

61, hat die Anwohnerinitiative Görlitzer Park mit gegründet, Infos unter www.ai-gp.de

Hätten Sozialarbeiter denn bei der Auseinandersetzung vom Freitag etwas geändert?

Ich würde mir nicht einbilden, dass Parkworker solche Art von Konflikten völlig verhindern könnten. Wir erhoffen uns von ihnen, dass sie im Alltag bestimmte Regeln vermitteln. Dass die Dealer an die Leute besser nicht zu nah rangehen, dass sie Frauen in Ruhe lassen sollen. Wenn es zu so einem gewalttätigen Streit unter den Dealern kommt, müsste schon zufällig ein Sozialarbeiter direkt dabeistehen, um etwas dagegen tun zu können.

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