: Stimme und Seele des Fado
COMEBACK Die Fado-Legende Amália Rodrigues trug einst das portugiesische Volkslied in die Welt. Noch zu Lebzeiten wurde die berühmte Diva verehrt. Heute liegt sie im Panteão Nacional begraben
In Lissabon können Besucher Fado auf ganz verschiedene Weise erleben. Auf der Bühne der Zirkusschule Chapitô, wenn die Zirkusschüler gerade Ferien haben. Oder im Canthecan, das im Sommer 2012 auf der Praça do Comércio eröffnet hat. In modernem Design besinnt man sich hier auf portugiesische Traditionsprodukte, vom Olivenöl in der Dose auf den Tischen bis zu den etwa 3.000 Markenkonserven in den hohen Regalen.
Der Küchenchef, der den Fisch aus der Konserve für Gourmets attraktiv machen möchte, ist Grieche. Der Name des Lokals stammt von einem Suzy-Quatro-Song. Rui Cunha, einer der Geschäftsführer und Musiker, spielte früher in der Band Hérois do Mar, war in London. Heute macht er sich in Lissabon für sein Projekt „Fadolab“ stark: Für Livekonzerte im Lokal oder draußen auf der Terrasse lädt er Fado-Musiker ein.
Der in Lissabon gefeierte Regisseur Filipe La Féria machte das Teatro Politeama in einem ehemaligen Kino der 1920er Jahre zum beliebten Musicaltheater. Zu den Kassenschlagern zählen seine Musicals über die Fado-Legende Amalía Rodrigues. Ihre Lieder über Lissabon wie Lisboa Antigua, A Mouraria oder Gaviota ertönen auch an den CD-Ständen auf der Feira da Ladra. Ganz in Weiß erstrahlt über dem berühmt-berüchtigten Markt der Diebinnen, Lissabons einzigem Flohmarkt, die mächtige Kuppel des Panteão Nacional, letzte Ruhestätte nationaler Größen.
Hier ruht seit 2001 Amália Rodrigues (1920–1999), die als die „Stimme und die Seele des Fado“ das portugiesische Volkslied in die Welt trug. Jeden Tag liegen frische rote Rosen auf ihrem Sarg. Die Portugiesen änderten sogar ein Gesetz, damit nicht, wie zuvor üblich, ganze vier Jahre vergehen mussten, bis die Diva nach ihrem Tod vom Friedhof Prazeres in diese ruhmreiche Stätte verlegt werden konnte.
Amália Rodrigues hatte neun Geschwister und ersang sich schon mit vier Jahren die ersten Escudos. Damals ahnte noch niemand, was für eine einzigartige Karriere vor ihr lag. Sie sang in Rio und in Mexiko, im Olympia in Paris, Juliette Gréco verehrte sie, Charles Aznavour schrieb Texte für sie. Als man ihr als Schauspielerin die tragische Rolle von Brechts „Mutter Courage“ anbot, lehnte sie ab. Sie tourte durch die Sowjetunion und trat in Tokio auf.
François Mitterand überreichte ihr 1990 in Paris den Orden der französischen Ehrenlegion. Zu ihren traurigsten Liedern zählt „Grito“, das sie selbst schrieb, als sie einen Gehirntumor hatte und nicht wusste, ob sie sich in New York aus dem Hotelfenster stürzen sollte. Tagelang schaute sie sich Filme von Fred Astaire an und entschied sich dann doch zur Operation.
Bei ihrem Comeback-Konzert im ausverkauften Lissabonner Coliseu entflammte sie erneut die Herzen. Der Fado war längst unsterblich. PETRA SPARRER