: Mit Daumen und Tatendrang
BARACK OBAMA
„Roger Ebert liebte Filme. Bis auf die Filme, die er hasste.“ Mit dieser schönen Pointe beginnt der Nachruf, mit dem man nun bei Eberts jahrzehntelangem Arbeitgeber, der Chicago Sun-Times, des Kollegen gedenkt: Der Enkel deutscher Einwanderer, Jahrgang 1942, schrieb schon für Schülerzeitungen. Noch während seines Anglistikstudiums begann er 1966 bei der Sun-Times seine Laufbahn als Reporter und bald als fest angestellter Filmkritiker.
In diesem Metier brachte er es mit bis zu dreihundert Rezensionen im Jahr zum Status einer nationalen Institution. 1975 erhielt er als erster Vertreter dieser Sparte einen Pulitzerpreis für seine gesammelten Kritiken des Vorjahres – dreißig Jahre später folgte ein Stern auf dem Hollywood Walk of Fame, ebenfalls eine Premiere.
Seine Bekanntheit und Bedeutung für Generationen von Kinogängern erlangte der meinungsstarke Filmliebhaber und Publizist nicht zuletzt durch überregionale TV-Sendungen, die er lange gemeinsam mit Gene Siskel machte. Die „Daumen-rauf“(oder -„runter“)-Bewertungen der beiden waren schon Jahrzehnte vor den Facebook-Likes berühmt. Zu den zehn Filmen, die ihm am liebsten waren, zählen „2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick (1968), „Aguirre, der Zorn Gottes“ von Werner Herzog (1972) und „Raging Bull“ von Martin Scorsese (1980).
Ebert veröffentlichte mehr als ein Dutzend Bücher, darunter einen Roman. Als Koautor zeichnete er außerdem fürs Drehbuch zu „Beyond The Valley of The Dolls“ (1970) und weitere Produktionen von Sexploitation-Mogul Russ Meyer verantwortlich. Obwohl er als Zeitungsmann sozialisiert war, machte er schon früh Gebrauch von den neuen Medien.
Auch eine schwere Krebserkrankung der Schilddrüse, die 2002 festgestellt wurde und unter anderem zur Folge hatte, dass Ebert nicht mehr sprechen konnte, konnte seinen Tatendrang zunächst nicht bremsen: Er veranstaltete, unterstützt von seiner Ehefrau Chaz und anderen Verbündeten, nach wie vor das Overlooked Film Festival (kurz „Ebertfest“) in Champaign, Illinois und bloggte regelmäßig. Erst vor wenigen Tagen hatte er dabei, nach einer neuerlichen Krebsdiagnose, eine „An-/Auszeit“ verkündet, die er unter anderem dazu nutzen wollte, nur noch über Filme zu schreiben, die er mochte. Nun ist daraus eine ewige Auszeit geworden. „The movies won’t be the same without Roger“, twitterte selbst US-Präsident Obama.
ISABELLA REICHER