: Neues Wissen in alten Läden
Im Schillerquartier in Neukölln werden leer stehende Läden umgenutzt: allerdings nicht für Künstler, sondern für private Bildungseinrichtungen
Von Benjamin Brand
Bis vor wenigen Wochen blieben die Rollläden an der Weisestraße 24 zu jeder Tageszeit unten. Sprayer nutzten die Fläche für ihre Werke. Seit vor vier Jahren die Eckkneipe schließen musste, verstaubte der Laden, wurde selbst von der Hausverwaltung vergessen. Kein Einzelfall in Neukölln. In dem Bezirk stehen über 13 Prozent der Wohnfläche leer. Selbst im eigentlich beliebten Schillerquartier gibt es abseits der Hermannstraße nur wenige geöffnete Ladenlokale, die die Menschen vor die Tür locken könnten. Die Straßen sind verwaist und wirken bisweilen arg trostlos.
Doch seit einigen Wochen verändert sich etwas im Schillerquartier. Die Rollläden in der Weisestraße 24 werden wieder regelmäßig aufgezogen. Auch wenn es noch nicht sichtbar ist: Ein neues Kapitel des Ladenlokals hat begonnen. Nachdem es einer Schlachterei, einer Kneipe und zuletzt dem Staub Unterkunft geboten hat, wird als nächstes eine Bootswerkstatt einziehen. Hier soll unter anderem ein polynesisches Segelboot gebaut werden.
Die Frage nach dem Warum beantwortet das kleine, weiß-rote Schild, das im Fenster der einstigen Gaststätte hängt. „Bonk“ ist darauf zu lesen. Das steht für Bildungsoffensive Neukölln, ein neues Konzept im Leerstandsmanagement. Die Weisestraße 24 ist nur eine von sechs Adressen im Schillerquartier, wo neue Läden entstehen.
Ilka Normann, Projektleiterin von Bonk, erklärt die Idee: „Wir wollen mit Bonk einen langfristigen Strukturwandel in diesem Quartier erreichen. Deswegen haben wir uns um private Bildungseinrichtungen bemüht.“ Im Gegensatz zu künstlerischen Projekten, die meist nur so lange bestünden, wie sie gefördert werden, sollen sich die sechs Bonk-Läden nach einem halben Jahr selbst finanzieren.
Bis dahin sind die Ladenmieten auf die laufenden Kosten plus 1 Euro pro Quadratmeter beschränkt. Das erlaubt den Einsteigern ins Bildungsgeschäft, mit günstigen Angeboten Stammkunden zu gewinnen, die dann auch später, wenn die Mieten ansteigen, bereit sind, mehr zu investieren. Ob das nach Ablauf der sechs Monate überhaupt der Fall sein werde, sei aber noch unklar, erklärt Normann. „Die Vermieter sind schließlich auch froh, wenn ihre Objekte von Mietern in Schuss gehalten werden“, sagt die Projektleiterin.
Eine weitere Besonderheit von Bonk ist, dass die Idee von den Anwohnern selbst entwickelt wurde. Anfang 2005 schrieb das Quartiersmanagement das Projekt zur Leerstandsbekämpfung aus. Vorgaben waren Nachhaltigkeit, Aufwertung der Lebensqualität und die Integration lokaler Akteure. Bei den regelmäßigen Bewohnerkonferenzen zwischen Februar und Juli nahm die Bildungsoffensive schließlich Gestalt an.
Und tatsächlich kommt der überwiegende Teil der neuen Ladenbetreiber aus dem Schillerquartier. Ihre Bildungsangebote decken ein breites Spektrum ab: Von Sprachunterricht über Hausaufgabenhilfe bis hin zu Seminaren über die geistige Heilmethode Reiki, die aus Japan stammt. Nicht zu vergessen: das polynesische Boot, das in Workshops mit benachteiligten Jugendlichen aus dem Kiez entstehen soll.
Ob das die richtigen Angebote für Neukölln sind, wird sich noch zeigen müssen. Für den 6. März kommenden Jahres ist eine große gemeinsame Veranstaltung geplant. Dann läuft die Förderung durch das Quartiersmanagement aus. Ilka Norman ist optimistisch, dass auch danach die Rollläden einiger Bonk-Läden regelmäßig bewegt werden. Bei einem Erfolg ist auch eine Verlängerung der Förderung nicht ganz auszuschließen. Eine Liste mit genügend Interessenten gebe es jedenfalls.