: Was uns das Land gegeben hat
Wie schön Domenico Panzino den Namen seines Heimatdorfes ausspricht. „Marcellinara.“ Wie eine Liebeserklärung: leidenschaftlich. Marcellinara in Italien, Region Kalabrien, Provinz Catanzaro, ganz unten am Stiefel, dort, wo der Absatz in die Sohle übergeht. 2.199 Einwohner auf 20,63 Quadratkilometer Gemarkung. Altes, tief katholisches Bauernland, das es trotz seiner Schönheit geschafft hat, sich bis heute vor dem Massentourismus zu verstecken.
Domenico Panzino kommt aus Marcellinara. Er wurde dort am 20. Dezember 1949 als zweitältester Sohn des Bauern Francesco Panzino geboren. Der Vater wanderte 1958 „inneritalienisch“ aus: in den Norden, ins boomende Meran, wo er als Eisenflechter auf dem Bau arbeitete. Erst drei Jahre später reichte das Geld, um seine Familie nachzuholen. Da war Domenico zwölf.
Mit seinem scharfen Verstand hätte er es in der Schule weit bringen können. Als aber nach dem Hauptschulabschluss 1965 der Vater ihn vor die Alternative „Schulbank oder Werkbank“ stellte, entschied sich der 16-Jährige für die Arbeit, und zwar für Arbeit in Deutschland. Als er vor 40 Jahren im November hier ankam, zeigte das Wirtschaftswunderland dem Kalabresen erst einmal die kalte Schulter: „Das werde ich nie vergessen“, erzählt er, „dieser Schnee! Dieser unheimlich viele Schnee in Ansbach, wo mein Onkel eine Eisdiele hatte. Schneeschippen, das war mein erster Job in Deutschland.“
Aus dem „Gastarbeiter“ in Deutschland wurde 1968 ein Wehrpflichtiger in Italien und ab 1971, nach einer Lehre in Meran, ein kundiger Eismacher, der dann über eine weitere Onkel-Connection erneut nach Deutschland kam. Diesmal ins nordwürttembergische Städtchen Crailsheim, wo Domenico Panzino seit 1972 erfolgreich versucht, den Deutschen Pizza, Pasta und Pinot Grigio nahe zu bringen – seit 33 Jahren im gleichen gepachteten Lokal mit treuer Stammkundschaft.
Seit fast 30 Jahren ist er schon mit Concetta verheiratet, die Söhne Marco und Paolo wurden 1976 und 1978 geboren. Deren erfolgreiches Fortkommen in anderen Branchen war dem Vater wichtiger als der lang gehegte Traum vom eigenen Familienlokal. „Ohne die Söhne ist das nicht zu machen“, sagt er. „Aber ich kann verstehen, dass sie sich anders entschieden haben.“ Stolz auf den Erfolg seiner Familie in Deutschland ist Domenico Panzino allemal: „Ich habe mich hier wirklich nie als Ausländer behandelt gefühlt.“ Nur eines fehlt: Marcellinara, die ferne Geliebte, die er trotz 1.652 Kilometern Entfernung mindestens einmal im Jahr besucht. „Vielleicht können wir im Ruhestand mal hier und mal dort leben“, hofft er, „jeweils ein halbes Jahr.“ Heute wird er 56. HARALD ZIGAN