DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Rote Schläfer
WAS SAGT UNS DAS? Im „Stern“ erinnert sich Michael Schwelien, Biograf von Joschka Fischer, der Exaußenminister habe 1976 zum Werfen von Molotowcocktails gegen Polizisten aufgerufen
Anders lässt es sich kaum resümieren: Einen echten Beweis hat Stern-Autor Arno Luik in seiner Geschichte über militante Aktionen Joschka Fischers zu seinen Frankfurter Zeiten nicht erbracht. Sein Kronzeuge Michael Schwelien, früher Journalist bei der Zeit und wie der Bundesaußenminister a. D. in Frankfurt zumindest kulturell Teil der autonom-spontaneistischen Szene, weiß auch nicht viel mehr als Hörensagen zu Protokoll zu geben. Aber ist das nach all den Jahren wirklich die richtige Frage: Ob Fischer mitgehetzt hat, ob er einen sogenannten Molotowcocktail geworfen hat?
Müsste, wenn jetzt und überhaupt, nicht ausgreifender gefragt werden: Warum stammte ein Gros der linksradikalen Kader aus bildungs- und großbürgerlichen Verhältnissen? Gerade jene, die angeblich die Adressaten waren, die Proleten, wollten ja mit den Eskalierern meist nichts zu schaffen haben. Warum gibt es kaum biografische oder literarische Zeugnisse der ProtagonistInnen von einst – eine Ausnahme ist Stephan Wackwitz, einst Kader beim MSB Spartakus. Was befeuerte den Größenwahn, die demokratische Bundesrepublik, aber auch das Demokratische an sich, zugunsten von – was eigentlich? – zu beseitigen? Welche Gründe gab es, nicht auf den verfemten „Marsch durch die Institutionen“ zu setzen?
Jene, die das beantworten könnten, sitzen inzwischen überall in den Sesseln des „Systems“. Sie könnten sprechen – was war und was sie inzwischen friedlich stimmte. Oder doch nur schläferhaft? JAN FEDDERSEN
Der Autor war von 1977 bis 1979 Mitglied im Kommunistischen Bund und insofern Teil des Größenwahns