Schicksalstag für Josef Ackermann

Heute entscheidet der Bundesgerichtshof über eine Neuaufnahme des Mannesmann-Prozesses. Das könnte den umstrittenen Chef der Deutschen Bank zu Fall bringen. Mit möglicherweise dramatischen Folgen für den größten Bankkonzern des Landes

VON STEPHAN KOSCH

In München klingelt ein Handy. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, nimmt das Gespräch aus Karlsruhe an – und beschließt seinen Rücktritt. Es kommt zum Machtkampf in den Frankfurter Zwillingstürmen, die wichtigen Investmentbanker in London gewinnen ihn und spalten die Bank auf. Das milliardenschwere Geschäft mit Firmenübernahmen und Börsengängen wird in London angesiedelt. Der international unbedeutende Rest bleibt in Frankfurt und wird früher oder später übernommen – von der Sparkasse.

Auch wenn dieses Szenario ein bisschen nach Wirtschafts-Thriller klingt – unmöglich ist es nicht. Denn heute entscheidet der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, ob der Freispruch für Josef Ackermann und die anderen Angeklagten im Mannesmann-Prozess weiterhin gilt. Nach der Verhandlung im Oktober darf das bezweifelt werden. Damals hatte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf laut nachgedacht. Darüber etwa, ob die Prämien, die nach dem Mannesmann-Verkauf an Vodafone gezahlt wurden, „Geschenke waren, die die Angeklagten nicht hätten verteilen dürfen“. Immerhin geht es um 57 Millionen Euro.

Sollten die Richter diese Sicht heute bestätigen, würde der ganze Prozess noch mal aufgerollt. Josef Ackermann droht also erneut der Platz auf der Anklagebank beim Landgericht in Düsseldorf. Dort müsste er sich ebenso wie die Ex-Aufsichtsratsmitglieder Klaus Zwickel und Joachim Funk gegen den Vorwurf der Untreue wehren.

Ein solcher Prozess könnte sich über Monate hinziehen. Fraglich, ob Ackermann das überstehen würde, ohne seinen Chefsessel bei der Deutschen Bank räumen zu müssen. Für den Fall eines Schuldspruches jedenfalls soll Ackermann seinen Rücktritt in Aussicht gestellt haben, berichtete gestern die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In Finanzkreisen wird schon heftig über Nachfolger spekuliert.

Denn Ackermann gilt auch ohne neuen Mannesmann-Prozess als angeschlagen. Nicht nur wegen seines schlechte Images in der Öffentlichkeit nach dem Victory-Zeichens beim ersten Prozess, dem die Ankündigung eines Job-Abbaus folgte: Trotz milliardenschwerer Gewinne sollen 6.400 Stellen gestrichen werden. Letzte Woche sorgte dann auch die Schließung eines Immobilienfonds der Deutsche-Bank-Tochter DB Real Estate für Ärger. 300.000 Anleger können vorerst nicht an ihr Geld und müssen mit Verlusten rechnen. Erst nach massiver Empörung erklärte sich Ackermann bereit, ihnen mit Geld aus dem Mutterhaus zu helfen. In der Branche und bei der Finanzaufsicht Bafin sorgte das für Stirnrunzeln. Sie prüft, ob es im Vorfeld der Schließung des Deutsche-Bank-Immobilienfonds Grundbesitz-Invest Insider-Handel gegeben hat.

So dürfte es beim heutigen Treffen mit Spitzen der anderen Banken, Sparkassen und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in München erneut Kritik hageln. Ackermann wird sie sich anhören. Und gewiss gleichzeitig auf sein Handy achten.