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Archiv-Artikel

Streit um Windräder

Der Ausbau der Windenergie geht zu schnell, meint ein grüner Stadtwerkedirektor. Der Bundesverband staunt

DRESDEN taz ■ Ein zu schneller und einseitiger Ausbau der Windenergienutzung könnte sich als schwerer Fehler erweisen. Davor warnt Johannes Kempmann, technischer Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg GmbH und Mitglied der Grünen. Das Leitungsnetz könne nicht mithalten. Bei einer Störung drohe ein bundesweiter Zusammenbruch.

Kempmann, damals Geschäftsführer der Energieagentur Sachsen-Anhalt, hatte 1996 vorhergesagt, der Anteil der Windenergie werde binnen zehn Jahren auf 7 Prozent wachsen. Tatsächlich liegt er heute schon bei 41 Prozent. Darauf, argumentiert Kempmann, haben sich die Netzbetreiber noch nicht eingestellt. Dabei stehen viele Windräder in verbrauchsschwachen Gebieten, sodass der Strom in erheblichem Umfang abtransportiert werden müsse – abnehmen und vergüten müssen die Betreiber ihn nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz in jedem Fall.

Versäumnisse im Netzausbau hatten auch die Autoren einer im Februar dieses Jahres vorgestellten Studie der Deutschen Energie Agentur im Auftrag der Bundesregierung moniert. Sie forderten rund 850 Kilometer neuer Freileitungen.

Der Bundesverband Windenergie hält das Problem allerdings für überbewertet. Er verweist auf die Möglichkeit regionaler Lösungen. In Schleswig-Holstein etwa sei es trotz der Stromabnahmepflicht möglich, im Einvernehmen mit Windkraftbetreibern Windanlagen bei Bedarf zu- oder abzuschalten.

Pressesprecher Matthias Hofstätter schlägt zudem vor, die Netzkapazität mit Erdkabeln zu erweitern. „Sie sind schnell und unkompliziert zu verlegen und rentieren sich in wenigen Jahren.“ Da es sich um Doppelkabel, also „redundante Systeme“ handele, seien auch Havarien beherrschbar. Kempmann verweist jedoch auf mögliche Baggerschäden und Erdschlüsse.

Die Überkapazitäten sind für Kempmann nicht das einzige Problem: Der Experte warnt zudem vor der Gefahr einer Kettenreaktion. Diese könnte durch einen äußeren Störfall ausgelöst werden: Windräder seien so gebaut, dass sie sich bei einem deutlichen Spannungsabfall im Netz – etwa durch einen heftigen Kurzschluss – abschalten. „Auf einen Schlag fielen dann zwischen Ostsee und Harz etwa 3.000 Megawatt Windleistung aus. Ein Blackout wie in Italien 2003 könnte die Folge sein“, so Kempmann.

Der Bundesverband Windenergie wirft Kempmann jedoch „Panikmache“ vor. Die Anschlussbedingungen seien bereits 2003 geändert wurden. Moderne oder nachgerüstete Anlagen trennten sich wie konventionelle Kraftwerke nicht mehr oder nur verzögert vom Netz.

Die Kontrahenten sind sich aber einig, dass auch künftig auf einen sinnvollen Energiemix geachtet werden muss. Schließlich seien Windräder technisch auf Großkraftwerke angewiesen, um Spannung und Frequenz zu synchronisieren. MICHAEL BARTSCH