piwik no script img

Archiv-Artikel

Und das Duett erklingt doch weiter

MACHTSPIELE Am Montag kam doch nicht das Aus für die Chefredaktion des „Spiegels“

Die Redaktionskonferenz am Montag ist beim Spiegel etwas ganz besonderes. „Die Konferenz, vor der Politiker zittern“, so wirbt das Magazin.

An diesem Montag war das Treffen jedenfalls wirklich etwas Besonderes, eventuell hat auch der eine oder andere gezittert. Am Freitag meldete das Hamburger Abendblatt, dass die Doppelspitze aus Georg Mascolo (zuständig für das Heft) und Mathias Müller von Blumencron (zuständig für die digitalen Angebote) vor der Ablösung stehe. Wegen internen Streits, sinkender Auflage und unklarer Onlinestrategien.

Das Wochenende über wurde über mögliche Nachfolger spekuliert, der Spiegel mochte nicht offiziell kommentieren. Die Konferenz am Montag sollte Klarheit bringen: Müssen die beiden gehen? Und wenn ja: Wer kommt?

Erscheinen Mascolo und Müller von Blumencron überhaupt zur Konferenz? Sie erschienen – und mit ihnen Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe. Nach einer Begrüßung durch Mascolo dementierte Saffe die Ablösung der beiden nicht, er bestätigte sie jedoch auch nicht. Aus den Reihen der Redaktion gab es Nachfragen. Jedoch wurde, so erzählen es TeilnehmerInnen, nicht über Personen diskutiert. Sondern über strategische Fragen. Dabei hatten viele nach der Abendblatt-Meldung damit gerechnet, dass die Geschäftsführung am Montag reagiere.

Stattdessen brachte das Abendblatt am Montag einen angeblich vielversprechenden Namen ins Spiel: Jakob Augstein, den Stiefsohn des Spiegel-Gründes Rudolf Augstein. Er sei, so das Abendblatt, „der Geheimfavorit“. Jakob Augstein vertritt die Erbengemeinschaft Augstein, die als Minderheitsgesellschaft knapp 24 % des Spiegel-Verlags hält.

Interessant finden einige MitarbeiterInnen in der Redaktion die Frage, woher das Abendblatt seine Information über die Ablösung des Duos Mascolo/Blumencron hatte. Das Abendblatt zitierte „Gesellschafterkreise“. Manche glauben, die Information könne eventuell von Augstein selbst gekommen sein.

Je mehr man mit MitarbeiterInnen des Magazins spricht, desto mehr drängen sich zwei Schlüsse auf. Der erste: Ja, es gibt eine Diskussion über die Chefredaktion. Mascolo und Müller von Blumencron wird vorgeworfen, sie seien nicht in der Lage, gemeinsam eine Strategie für den Spiegel in Zeiten des digitalen Wandels zu entwerfen. Mascolo insbesondere ist umstritten, weil RedakteurInnen das Gefühl haben, er verändere das Heft angesichts der Herausforderungen durch Onlineangebote und Social Media nicht genug.

Hinzu kommt Kritik an den Titeln. Einigen sind sie nicht politisch genug, andere fordern mehr gesellschaftliche Themen. Das ist in Redaktionen zwar relativ normal, auch Mascolos Vorgänger Stefan Aust wurde derart kritisiert – aber Aust hatte bessere Zahlen. In Mascolos mehr als fünf Jahren als Spiegel-Chef sank die verkaufte Auflage des Heftes von über einer Million auf gut 890.000 Exemplare.

Und: Mascolos Stil wird moniert. Habe er in den ersten ein, zwei Jahren beim Machen der Spiegel-Titel noch einen offenen Diskussionsprozess zugelassen, sei das inzwischen anders. Das Wort „Selbstüberschätzung“ fällt in diesem Zusammenhang des Öfteren.

Die zweite Schlussfolgerung: Eventuell ist die Diskussion um die Chefs noch nicht so weit, dass wirklich schon mit Nachfolgern ernsthaft gesprochen wurde. Einige der in verschiedenen Medien Genannten sagen, sie wüssten nichts von ihrem Glück. Und vieles, was aus dem Spiegel-Haus zu hören ist, klingt ganz ähnlich.F. DACHSEL, D. SCHULZ