: WASG leidet an Kinderkrankheiten
Betr.: Links und links verträgt sich nicht, taz vom 9.12.
Die WASG leidet wie früher die Grünen unter Kinderkrankheiten, aber unter anderen: Die Flügel lassen sich nicht als Fundis und Realos deuten. Etwas spöttisch möchte ich sagen: Die „Linkstendenz“ mag eine Tendenz, also eine Neigung, nach links haben, aber bislang äußert sich diese Neigung eigentlich nur in der Freude an antikapitalistischen Schlagworten im Stil der 70er Jahre und in der Ablehnung der Linkspartei.PDS als zu rechts. Aber ein tragfähiges Fundament wird noch nicht erkennbar, weder ein visionäres noch ein realpolitisches. Der andere Flügel, dem ich mich zurechne, nimmt zunächst einmal den Namen WASG ernst und tritt für Arbeit und soziale Gerechtigkeit ein, für eine Stärkung des Binnenmarktes, gegen Privatisierungen vor allem der Daseinsfürsorge und für Steuererhöhungen bei den Besserverdienenden – wissenschaftlich fundiert und vorgerechnet von Leuten wie Axel Troost, Herbert Schui.
Gewiss ist das realer und wie ich meine auch dringlicher als ideologische Diskussionen über Antikapitalismus, die die meisten Rentner/innen, Erwerbslosen, chronisch Kranken und prekär Beschäftigten im Moment etwa brauchen wie einen Kropf - trotzdem haben wir ein gemeinsames Fundament, das marxistisch, humanistisch oder auch christlich untermauert sein mag: soziale Gerechtigkeit und Frieden. Ob wir damit die gesamte Breite des Bremer Landesverbandes repräsentieren, das wussten wir eben nicht, sondern wollten es feststellen. Leider ist die Hälfte der Mitglieder nicht gekommen.
Nicht am Ende, sondern bei der Abstimmung der beiden Leitanträge gegeneinander zeichnete sich eine leichte Stimmenmehrheit (42:40) der Linkstendenz ab. Statt sich wie die Linkspartei.PDS am 27. November zu vertagen, um zu versuchen, doch noch eine Brücke zwischen den Flügeln zu schlagen, bestand diese knappe Mehrheit darauf weiterzumachen. Es gab keine „aufgebrachten Parteigänger, die aus dem Saal stürmten“, sondern eher resignierte Mitglieder, die nach der Ablehnung einer Auszeit von 15(!) Minuten wenig Sinn darin sahen, nun auch noch den Rest des 2. Adventssonntages damit zu verbringen, 42:40 überstimmt zu werden. Kinderkrankheiten sind unangenehm, manchmal schmerzhaft, aber erfahrungsgemäß sind die Kinder nachher widerstandsfähiger und reifer. Antonie Brinkmann, WASG-Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl 2005