berliner szenen Im Schwimmbad

Der gedoppelte BH

Meist streifen Frauen zuallererst den Slip über. Sie aber hat ihre hochhackigen, schwarzen Schuhe angezogen und steht ansonsten nackt und cremt mit Muße und genüsslich ihr Gesicht. Dann holt die schöne Frau einen knallroten Koffer aus dem Schließfach und stellt ihn vor sich auf die Holzbank. Aus dem geöffneten Gepäckstück zieht sie einen schwarzen BH. Wunderlich sieht er aus. Und bedeckt, nun angezogen, nur ihre linke Brust spärlich mit transparentem Stoff.

Die junge Dame bringt einen zweiten BH ähnlichen Zuschnitts aus ihrem Koffer, legt ihn an und hat, im Doppelpack, nun beide Brüste in ein apartes Etwas gehüllt.

Ohne es so recht zu realisieren, habe ich meine Tätigkeit, mich anzukleiden, längst eingestellt und starre stattdessen voyeueristisch auf das Schauspiel vis-à-vis.

Sie schlüpft nun in einen schwarzen Spitzentanga. Der ist so knapp bemessen, dass er diese Bezeichnung kaum mehr verträgt. Auf dem Unterbauch der Frau ist eine winzige Rose tätowiert.

Als weiteres Accessoire kommt eine feingliedrige Kette aus dem Koffer und um ihre schmale Taille. Dann streift sie ein vorne, hinten und unten stark beschnittenes Schwarzes über und bürstet das kurze dunkle Haar zurück.

Ich kleide mich rasch zu Ende an und verfüge mich in Richtung Fön, in den Vorraum des Hallenbads. Mein Haar ist noch nicht ganz trocken, da geht die Schwingtür zu den Damenumkleidekabinen auf und eine langhaarige, blond gelockte Schönheit mit leuchtend rot geschminktem Mund stöckelt heran, wirft mir ein verschmitztes Lachen zu und entschwindet ins nächtliche Berlin.

GUNDA SCHWANTJE