: „Keine Alibi-Lösung“
Will die Medienkontrolle KEK Springer enteignen? KEK-Vorsitzender Dieter Dörr zum umstrittenen Vorschlag, für Sat.1 einen Fernsehrat einzurichten, und zur Kritik aus den Landesmedienanstalten
Interview Hannah Pilarczyk
taz: Herr Dörr, halten Sie sich nicht an Absprachen?
Dieter Dörr: Wieso?
Die Vorsitzenden der Landesmedienanstalten (LMA) von Rheinland-Pfalz und Berlin-Brandenburg, Helmes und Hege, werfen Ihnen eben dies vor. Die beiden meinen, dass die KEK mit dem Vorschlag für Springer, einen Fernsehbeirat mit weit reichenden Kompetenzen für Sat.1 einzurichten, einen bereits erzielten Konsens über einen weniger mächtigen Programmbeirat wieder in Frage gestellt habe.
Angesichts des Verlaufs der zwei Anhörungen in Sachen Springer kann ich diese Kritik nur schwer nachvollziehen. In der ersten Anhörung am 28. 11. hat die KEK erläutert, dass sie das Vorhaben unter den gegebenen Umständen nicht für genehmigungsfähig hält. Daraufhin hat Springer einen überarbeiteten Antrag eingereicht und in diesem vielfaltssichernde Maßnahmen wie einen Programmbeirat vorgeschlagen. Die KEK hat in einer zweiten Anhörung am 6. 12. auch diesen Vorschlag als ungeeignet, um vorherrschende Meinungsmacht abzuwenden, abgelehnt. Im Gespräch mit Vertretern von Springer kam dann während dieser Anhörung die Idee eines Fernsehrats auf, mit dem ein Sender binnenplural ausgerichtet würde. Springer signalisierte, dass man sich dieses Modell grundsätzlich vorstellen könnte. Daraufhin wurde vereinbart, dass die KEK ihren Vorschlag schriftlich ausarbeitet und dies die weitere Grundlage bilden würde.
Der vorgeschlagene Fernsehrat würde das Aufsichtswesen im privaten Rundfunk revolutionieren – schließlich gehen seine Kompetenzen noch über die der entsprechenden Gremien bei ARD und ZDF hinaus. War der KEK bewusst, was sie an Forderungen formulierte?
Ja, allen KEK-Mitgliedern war von Anfang an bewusst, dass ein binnenplural organisierter Privatsender es sehr schwer haben würde, auf dem Markt zu bestehen. Wir haben uns dabei an der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts orientiert, die eine solche Ausrichtung ebenfalls als möglich, aber mit den Gesetzen des Markts nur sehr schwer vereinbar hält. Darauf hat die KEK während der Anhörung unmissverständlich hingewiesen. Ich habe mich allerdings gefragt, ob Springer die Tragweite dieses Vorschlags klar war. Schließlich haben sie aber Zustimmung signalisiert.
Sie betonen die Einstimmigkeit der KEK. In Medienberichten liest sich die Entscheidungsfindung innerhalb Ihres Gremiums aber anders. Dort ist von Streit die Rede.
Diese Berichte halte ich für den Ausdruck schlechten journalistischen Stils, weil sie darauf abzielen, Einfluss auf unsere Beratungen zu nehmen. Alle Mitglieder sind an das Beratungsgeheimnis gebunden, sodass wir entsprechende Berichte nicht kommentieren können.
Mit der Vertraulichkeit in diesem Verfahren scheint es aber recht schwierig zu sein – das KEK-Papier mit den Eckdaten zum möglichen Fernsehrat kursiert in verschiedenen Zeitungen.
Ja, tatsächlich sollte dieses Papier nur an Springer und die zuständigen Landesmedienanstalten gehen. Nun wurde es aber offensichtlich vollständig an die Zeitungen weitergegeben und wird dort seitdem mehr oder minder sachkundig kommentiert.
Die Frankfurt Allgemeine Zeitung spricht von einer „Enteignung“ Springers.
Da frage ich mich, ob der Kommentator weiß, was Enteignen überhaupt ist. Nochmals: Die KEK will kein Modell vorschreiben. Springer wollte einen Weg finden, um vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern und die Zustimmung der KEK zu sichern. Dazu haben wir den vorliegenden Vorschlag erarbeitet.
Herr Hege von der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg hat unlängst gesagt, dass man diesen Vorschlag nur ablehnen könnte: „Da hätte die KEK lieber gleich sagen sollen: Die Übernahme genehmigen wir nicht.“
Unser Vorschlag ist keine Alibilösung, sondern ernst gemeint. Allerdings kann keiner von uns Großzügigkeit im Umgang mit der Meinungsvielfalt oder die Wahrung von Standortinteressen fordern. Alle KEK-Mitglieder sind sich einig, dass wir verfassungsmäßig und durch den Rundfunkstaatsvertrag gebunden sind. Dabei haben wir einen eindeutigen und immer gleichen Maßstab anzuwenden. Daran halten wir uns.
Geht es indirekt vielleicht auch um einen Machtkampf zwischen Landesmedienanstalten und KEK? Bislang galt die KEK eher als schwach. Nun scheint sie sich dazu aufzuschwingen, die LMA in der Medienkontrolle übertreffen zu wollen.
Ich wundere mich schon sehr, dass einzelne LMA-Direktoren sich in das laufende Verfahren einmischen – schließlich sind wir ein unabhängiges Expertengremium. Ich würde es mir nie anmaßen, der Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten Empfehlungen auszusprechen.
Wurden Sie von anderer Seite unter Druck gesetzt? In der Zeit ist von einem gewissen Engagement des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck zu lesen.
Nein, wir wurden von keinem unter Druck gesetzt. Im Gegenteil: Wir fühlen uns in unserem Auftrag, die Meinungsvielfalt zu sichern, bestärkt und werden uns davon auch von Polemik oder falschen Empfehlungen nicht abbringen lassen.