HANNOVER – IM FUSSBALL GIBT ES KEINE KLEINEN MEHR : Hauptbahnhof und Suchtmobil
Die Häme und der Spott, die traditionell über diese Stadt am Südrand der norddeutschen Tiefebene geschüttet werden, sind genährt von purem Neid, bestenfalls Ahnungslosigkeit. Wer das nicht einsieht, schaue in einen kürzlich veröffentlichten Bildband „mit 450 hervorragend gedruckten Fotos“. Der griffige Titel: „Hannover ist die schönste Stadt der Welt“. Demnächst könnte der robuste Superlativ auch die Begrüßungsworte aus den Lautsprechern am Hauptbahnhof ergänzen. Statt wie bisher „Expo- und Messestadt“ wird es dann heißen „Willkommen in der schönsten Weltstadt des Exkanzlers und DFB-Ehrenmitglieds, die, wo das Militär bei seinem Abschied ‚My Way‘ geblasen hat“. Oder so ähnlich.
Den eigenen Weg peilte Hannover aufgrund des erstarkten Selbstbewusstseins auch nach der WM-Auslosung an, hielt Kurs und reagierte beglückt, zumal die niedersächsische Landeshauptstadt „deutlich näher am Herzschlag der WM als andere Städte“ sei, wie zuvor eine bundesweite Werbekampagne aussagte. Das mag in Anbetracht von vier Gruppenspielen und einem Achtelfinalspiel etwas verwundern, gemeint war damit jedoch bloß die „geografische Lage und die moderne Infrastruktur“. Die allerdings einen Großsponsor der WM, den Reifenproduzenten Continental, nicht davon abhalten, demnächst 320 Arbeitsplätze von seinem Stammsitz Hannover aus irgendwo anders hin zu verlagern. It’s the economy, stupid, nicht nur Fußball hat seine Spielregeln. Eventuell bist du sogar an Fonds beteiligt?
Als dann der gelenkte Zufall die Paarungen Costa Rica gegen Polen, Mexiko gegen Angola und Schweiz gegen Südkorea in Hannover platzierte, verkniff man sich das Bisschen Enttäuschung und annoncierte flugs „buntes Fantreiben“ und „Exotik“ der „Außenseiter“. Wer verstünde besser als die Hannoveraner jene Phrase: „Im Fußball gibt es keine Kleinen mehr“? Schließlich murkste sich hier die Nationalelf ein 2:1 gegen Angstgegner Färöer zurecht. Immerhin: Italien gegen Ghana. Bis auf Australien und Antarktis gastieren Teams aus beinahe sämtlichen Kontinenten hier. Womit man allerdings anlässlich einer Weltmeisterschaft rechnen durfte.
Trotz globalem Bedeutungsglanz verliert diese an Alleinstellungsmerkmalen reiche Stadt nicht den Bodenkontakt noch das Gespür fürs Unscheinbare. Das beweisen die WM-Seiten der Stadtverwaltung. Unter den Links findet sich auch der zur Krökel-Gemeinschaft Hannover-Badenstedt und zum Suchtmobil e.V.
Ich lebe ganz gerne hier. DIETRICH ZUR NEDDEN