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Archiv-Artikel

Ein wackeliger Kandidat

Franco Marini sollte als Präsident wohl die Tür zu einer großen Koalition aufstoßen

Eigentlich war Franco Marini gerade in Rente gegangen, wenn auch wider Willen. Im Februar nämlich fiel er bei den Parlamentswahlen durch und verpasste den Einzug in den Senat. Das Rentenalter hatte er schon lange erreicht; am 9. April wurde er 80. Für einen Job allerdings ist das in Italien das ideale Eintrittsalter: das Amt des Staatspräsidenten. Und so fand sich der alte Herr am Donnerstag zum Auftakt der Wahlversammlung plötzlich als Kandidat eines breiten Parteienbündnisses von gemäßigten Linken bis zu Berlusconi-Rechten.

Seine Kandidatur allerdings stieß auf heftigen Widerstand nicht nur der 5-Sterne-Bewegung Beppe Grillos, sondern auch großer Teile der eigenen Partito Democratico (PD). Dabei hat am Kandidaten selbst kaum jemand etwas auszusetzen. „Ein Mann aus dem Volk“, in diesem Urteil waren sich PD-Chef Pier Luigi Bersani und Silvio Berlusconi – sie hatten gemeinsam die Kandidatur ausgeheckt – völlig einig. Jahrzehntelang war Marini im katholischen Gewerkschaftsbund CISL tätig gewesen, in den Jahren 1985–1991 war er Vorsitzender der CISL. Direkt aus diesem Amt wechselte der damals zur Democrazia Cristiana (DC) Gehörende in die Politik, wurde 1991 für ein Jahr Arbeitsminister in der letzten Regierung Giulio Andreottis. Als dann die DC unter der Last der Korruptionsskandale auseinanderbrach, war Marini bei der Gründung einer kleinen Nachfolgepartei dabei, die sich gegen Berlusconi stellte und sich mit der Linken verbündete. Seit 1992 saß Marini dann ununterbrochen im Parlament.

Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er schließlich als Präsident des Senats in den Jahren 2006–2008. Auch die damalige Opposition der Berlusconi-Rechten bescheinigte ihm eine völlig unparteiische Amtsführung. Deshalb unterstützte ihn jetzt Silvio Berlusconi, in der Hoffnung, Marini werde als Präsident die Tür zu einer großen Koalition aufstoßen können.

Doch eben wegen dieser Unterstützung durch die Rechte gingen breite Teile der PD auf die Barrikaden. „Kein Zeichen des Wandels“ sei diese Kandidatur eines Uraltpolitikers, wetterten sie. In den ersten beiden Wahlgängen erhielt er am Donnerstag denn auch keine Mehrheit. Die innerparteilichen Gegner erinnerten daran, dass Marini schon einmal als Favorit fürs Präsidentenamt gegolten hatte – im fernen 1999. Damals machte am Ende Carlo Azeglio Ciampi das Rennen. MICHAEL BRAUN

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