: Was einst die Zukunft war
„Top oder Flop?“ aus 80 Jahren Telekommunikation: Das Retro-Kreiseln um BTX, Atrai, FloppyDisk und sprechende Microwellen könnte so lustig und spannend sein, aber im Hamburger Museum für Kommunikation erstickt die Ausstellungsarchitektur jeglichen Witz
In der Stadtbibliothek von Salzgitter-Fredenberg stand in den Achtzigern ein großer grauer Kasten mit einem winzigen Bildschirm und eine breiten Tastatur. Das Ungetüm hieß „Btx“. Bildschirmtext.
Doch Bildschirm und Text reichten uns für Schulpausen und Freistunden. Wir sahen uns Zugverbindungen an, obwohl wir nicht Zug fuhren, und hätten Geld überweisen können, wenn wir welches gehabt hätten. Jahre später verschwand das Ding aus der Bücherei und wir haben es nicht gemerkt. Das war das Schicksal von Bildschirmtext.
Die Ausstellung „Top oder Flop?“ im Museum für Kommunikation listet den Bildschirmtext unter die Flops der vergangenen 80 Jahre Telekommunikation. Für zwei weitere Entwicklungen, den Computer und das Radio, zeigen die Daumen aber nach oben.
Urig ist aller Anfang: Die ersten Radios trugen flaschengroße Glasröhren in sich und wurden als Funkgeräte eingesetzt, der Computer Zuse 23 („Rechenanlage“) füllte einen Schrank aus. Beim ersten Heim-Computer Altair 8800 suchte man die Tastatur vergebens; er wurde mit Kippschaltern bedient und gab seine Informationen per LED-Leuchten aus. Dass man auch Tastatur und Monitor anschließen konnte, verschweigt die Ausstellung irgendwie.
Aus der „Werkstatt“ führt der Parcours in das Kapitel „Markt“, dem Ort, wo sich neue Produkte durchsetzen müssen. Bei Btx versuchte es die Post mit TV-Spots, und die „Grünen“ orakelten auf Plakaten: „Mit Bildschirmarbeitsplätzen in die schöne neue Welt?“ Doch es bestand kein Grund zur Sorge, denn von den 150.000 Usern 1989 nutzen zwei Drittel das Gerät gewerblich.
Beim PC sind die Erinnerungen frischer und jugendlicher: C64, Atari, Amiga – damals neu, heute retro-chic. Die ersten Farbbildschirme, der erste Mac, die erste Maus (1983). Bereits 1981 produzierte IBM global „made in Singapore“. Aus FlexyDisk wurde FloppyDisk wurde die Diskette – Namen, die mal bedeutsam waren.
Wer „Top oder Flop“ besucht, sollte allerdings einige zehn bis 20 Jahre alte Erfahrungen mitbringen: Wie fühlte sich eine FloppyDisk an? Wie blätterte man die Seiten im Btx? Die Ausstellungseinrichtung wirkt wie ein Versuchslabor, steril und abwaschbar. Gefühle kommen hier nicht auf, erhellende Informationen sind rar gesät. In edlen Plexiglas-Cuben ist jeweils ein Produkt hochglanzpräsentiert. Ehrfürchtig umkreist man es, kein Anfang, kein Ende, zieht geräuschlose Schubladen auf und bückt sich vor Gucklöcher für Kleinkinder.
Auch warum auf einen freien Durchgang, „Zukunftsraupe“ genannt, nicht verzichtet wurde, der um die Ausstellungsfläche herumführt und in dem nur ein paar kluge Sprüche baumeln, erklärt sich angesichts der bekannten Raumprobleme der Hamburger Dependance nicht.
Einen Ausblick in die Zukunft präsentiert übrigens eine namhafte Firma, die im Museum ihre „smarten“ Haushaltsgeräte vorstellen darf: sprechende Waschmaschinen und Microwellen, mit denen man fernsehen kann (oder so...)
Die Zukunftsraupe ist auf dem Weg! Christian T. Schön
Di–So, 9–17 Uhr, Museum für Kommunikation, Gorch-Fock-Wall 1; bis 8. 1. 2006